Geschichte der Sinti und Roma


Weitere Informationen über die Kultur, Soziale Situation sowie die Roma-Strategie der EU und  Antiziganismus-Politik Deutschlands


Das Wortpaar „Sinti und Roma“ ist vielen Menschen zwar bekannt, um dessen genaue Bedeutung wissen allerdings nur wenige.

Tatsächlich sind die Sinti und Roma eine ethnische Minderheit mit verschiedenen Gruppen, deren Ursprünge nicht im Detail bekannt sind. In der Wissenschaft geht man jedoch inzwischen davon aus, dass die Ursprünge der Sinti und Roma in Indien liegen. Das Wort Sinti beschreibt dabei die Herkunft aus Indien, während Roma in der Sprache der Sinti und Roma, dem Romanes, einfach „Mensch“ bedeutet und als Überbegriff fungiert.


Verfolgung, Ausgrenzung und Zwangsassimilierung

Deutsche Geschichte der Sinti und Roma

Sinti und Roma im heutigen Europa


Die Geschichte der Sinti und Roma ist eine Geschichte der Verfolgung und der Diskriminierung aufgrund von Vorurteilen. Bereits vermutlich zwischen 800 und 1000 nach Christus wurden sie zur Auswanderung aus ihrer Heimat in Nordwestindien gezwungen, nachdem der afghanische Fürst Mahmud von Ghazni die Regionen  Panjab, Sindh und Rajastan erobert hatte und die nun ankommenden arabischen Volksstämme das Land für sich beanspruchten.
Zwischen dem 11. und dem 14. Jahrhundert ließen sich die ersten Sinti und Roma auf dem Balkan, im Mittleren Osten und Osteuropa nieder, um 1500 erreichten sie schließlich auch England, 1715 gelangten sie nach Nordamerika.

Das ungeliebte Volk: Die Geschichte der Roma (YouTube)

Verfolgung, Ausgrenzung und Zwangsassimilierung

Zunächst wurden die Sinti und Roma in Europa geduldet, im Heiligen Römischen Reich wurden ihnen sogar Schutzbriefe ausgestellt (Briefe, die ihnen einen sicheren Aufenthalt im Reich garantieren sollten). Schon bald wurden die Sinti und Roma aber vor allem in Westeuropa ausgegrenzt. Die dortige Gesellschaft war streng in Stände und Zünfte gegliedert, und die „Fremden“ fanden in dieser Umgebung keine gesellschaftliche Anerkennung. Die Ausgrenzung führte zu vielen Vorurteilen über die Sinti und Roma, die ab dem 15. Jahrhundert die Verfolgung, Tötung und Vertreibung dieses Volkes rechtfertigen sollten.

Während der Aufklärung im 18. Jahrhundert versuchte man, die Sinti und Roma zu bürgerlichen Personen zu „erziehen“ und sie auf diesem Wege an die Gesellschaft anzupassen. Im Zuge dieses Erziehungsprogramms versuchte man, ihnen ihre eigene Sprache – das Romanes – zu verbieten, Kinder aus Romafamilien wurden zwangsweise zur Erziehung in christliche Familien gegeben.

Mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert breiteten sich auch die Sinti und Roma weiter nach Westen aus. Da die neue industrielle Arbeitswelt die traditionellen, handwerklichen Arbeitszweige der Sinti und Roma zerstört hatte, versuchten sie, sich in den dortigen Arbeitsmarkt einzugliedern. So entstand eine Konkurrenzsituation zwischen im Westen ansässigen Arbeitern und den „zugezogenen“ Sinti und Roma, die wiederum zur negativen Sicht auf die Sinti und Roma führte.

Nach dem Zweiten Weltkrieg verfolgten auch die Regierungen in Ostmittel- und Osteuropa eine Politik der Zwangsanpassung der Sinti und Roma an die Mehrheitsgesellschaft. Einmal waren diese  Vorurteilen, Ausgrenzung und Respektlosigkeit gegenüber ihrer Kultur und Lebensweise ausgesetzt. Nach dem Sturz der kommunistischen Systeme Osteuropas versuchten einige Sinti und Roma sich im wiedervereinigten Deutschland ein Leben aufzubauen.

Deutsche Geschichte der Sinti und Roma

Sinti und Roma hatten in Deutschland schon früh immer wieder unter sozialer Stigmatisierung und Verfolgung zu leiden. Im Heiligen Römischen Reich waren sie noch offiziell geduldet, doch der Freiburger Reichstag  erklärte Angehörige der ethnischen Minderheit im 15. Jahrhundert schließlich als vogelfrei (also vollkommen rechtlos). Als Begründung dienten Vorwürfe, sie hätten für die Türken spioniert. Im späteren Deutschen Reich wurden die Sinti und Roma ab 1899 offiziell registriert und systematisch als gesellschaftliches Problem stigmatisiert und bekämpft.

Diskriminierung und Verfolgung

Auf diese Akten der Registrierung von „Zigeunern“ griffen in den 1930er Jahren schließlich die Nazis zurück. Die nationalsozialistische Politik stellte die Sinti und Roma mit den Juden gleich; folglich wurden sie ebenso wie die Juden Opfer von Diskriminierung, Verfolgung und Ermordung. Unter Hitler verloren die Sinti und Roma ihre Staatsbürgerschaft, Ehen wurden verboten, sie wurden zwangssterilisiert und ihnen wurde die Ausübung ihrer Berufe verboten.

Ein Gutachten der Rassenhygienischen Forschungsstelle (RHF) stellte die biologische Bedingtheit der „Asozialität“ von „Zigeunern“ fest, die sich angeblich in Charaktereigenschaften wie Betrug, Betteln, Diebstahl u.ä. manifestiere. Die Feststellung dieser „Erbkrankheit“ sollte einen Erlass von 1936 „zur Bekämpfung der Zigeunerplage“ und die darauf folgende massenhafte Deportation von Sinti und Roma ab 1940 rechtfertigen.

Der verschwiegene Völkermord

Die Nationalsozialisten ermordeten rund 500.000 Sinti und Roma. So gabe es nach Ende des Zweiten Weltkriegs  nur ca. 4000-5000 Überlebende, die aus Konzentrationslagern und Ghettos zurückkehrten. Dort waren Sinti und Roma der Strategie „Vernichtung durch Arbeit“ ausgesetzt gewesen. Diese sah schwere Arbeiten u.a. in den großen Rüstungswerken (Siemens, Daimler-Benz, BMW, VW) vor, die täglich zwischen 12 und 15 Stunden ausgeführt werden mussten. Auch sind Missbräuche an Sinti und Roma bekannt: Sie wurden für Menschenversuche zu verschiedenen Arzneifirmen benutzt und gegen Ende des Krieges gemeinsam mit den Juden als „Kanonenfutter“ zur Wehrmacht eingezogen.

Im Gegensatz zum Mord an den Juden wurde der Mord an den Sinti und Roma nach dem Krieg lange Zeit verschwiegen. Da die Nationalsozialisten die Sinti und Roma in ihren Akten als „Kriminelle“ dargestellt hatten, wurden ihnen Entschädigungszahlungen verweigert. In Polizei und Justiz war auch weiterhin eine skeptische Haltung gegenüber Sinti und Roma normal. Auch der alte Begriff „Landfahrer“, der durch den Nationalsozialismus geprägt wurde, war und ist teilweise immer noch in Behörden präsent.

Erst 1982 erkannte die Bundesregierung unter Helmut Schmidt den Völkermord an den Sinti und Roma als solchen an. In der Gesellschaft sind Vorurteile, die die Sinti und Roma als Kriminelle und „Asoziale“ darstellen, jedoch heute noch vielerorts präsent.

Sinti und Roma im heutigen Europa

Durch diese Aneinanderkettung von Verfolgung, Diskriminierung und Vertreibung verteilten sich die Sinti und Roma schließlich auf viele Länder der Welt, vor allem aber im heutigen Europa. Ihre heutige gesellschaftliche Ausgrenzung ist zu großen Teilen auf ihre Geschichte sowie auf die immer noch in der Gesellschaft vorhandenen Vorurteile ihnen gegenüber zurückzuführen.

In Europa leben heute ca. 10 bis 12 Millionen Sinti und Roma, davon ca. 6,2 Millionen innerhalb der EU. Damit stellen sie die größte ethnische Minderheit der EU dar. Ihr Altersdurchschnitt beträgt ca. 25 Jahre, womit sie nicht nur die größte, sondern auch die jüngste europäische Minderheit sind. Am stärksten sind Sinti und Roma in Rumänien, Bulgarien, Ungarn, der Slowakei, Tschechien und Spanien vertreten.

Die Sinti und Roma sind auch heute keine einheitliche Gruppe, vielmehr bestehen sie aus vielen verschiedenen Kulturen und Lebensweisen. Trotz ihrer andauernden Ausgrenzung in den Nationalstaaten gibt es in den letzten Jahren auch positive Entwicklungen zu verzeichnen: immer mehr Roma studieren, es gibt auch einzelne großartige Integrationsbeispiele. Allerdings ist ein erfolgreicher gesellschaftlicher Aufstieg für Sinti und Roma häufig nur unter Verschweigen der eigenen Herkunft möglich.

 


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