Kultur der Sinti und Roma

Das Leben der Sinti und Roma ist seit einem Jahrtausend geprägt von Vertreibung und Verfolgung. Diese häufigen Wechsel Aufenhaltsorte  brachten vielseitige Einflüsse und Prägungen mit sich. So lassen sich die Sinti und Roma etwa keiner festen religiösen Gemeinschaft zuordnen. Die meisten Sinti und Roma sind aufgrund ihres Lebens in verschiedenen Ländern zwei- oder mehrsprachig. Die gemeinsame Sprache ist das Romanes.

Ursprünglich war die Kultur der Sinti und Roma durch ihren Ursprung in Indien geprägt. Im Laufe der Jahrhunderte verschmolz die Kultur jedoch mit den jeweiligen kulturellen Eigenheiten der Länder, in denen sie lebten und leben. In drei Bereichen der Kultur berufen sich die Sinti und Roma auf eine eigene Tradition, die weiterzupflegen ihr Anliegen ist: In der Musik, im Handwerk und in der Erzählkunst.


Stimmen ohne Grenzen (YouTube)

Musik und Tanz

Die Musik der Roma ist von der Eigenschaft des genauen Hinhörens und sofortigen Improvisierens bestimmt. Diese Gabe der Musikalität wird in vielen Familien bereits im Kindesalter als Tradition gefördert und entwickelt. Ein Beispiel dafür ist die Musik der ungarischen Sinti und Roma: im früheren Ungarn gab es kein Bürgertum, das geschulte Musiker hervorbringen konnte. Die umherziehenden und musizierenden  „Zigeunerensembles“ wurden somit als ungarische Nationalmusiker anerkannt.

Die Roma-Musik hat ihre Wurzeln in Indien. Auf ihrem langen Weg nach Europa nahmen die Roma Musikstile anderer Völker auf machten sie sich zu eigen. Rhythmische und melodische Elemente wie zum Beispiel die sogenannte Zigeunertonleiter (Zigeuner-Moll CD-ES-F-G-AS-HC) werden beibehalten. Und die bekanntesten Musikstile der Roma  (Flamenco, Swing, Balknabrass) deutlich zu unterscheiden.

Viele Komponisten sind von der Roma Musik beeinflußt worden. So auch der aus dem damaligen Ungarn stammende Komponist Franz Liszt, der ein großer Bewunderer der Virtuosität und Improvisationskunst dieser Musiker war. Er selbst bezeichnete sich als „zur Hälfte Franziskaner, zur Hälfte Zigeuner“. Auch in Spanien haben die so genannten gitanos inzwischen Ruhm erlangt, v.a. im Bereich der Flamencomusik. Die beiden Weltberühmtheiten Paco de Lucia und Camarón de la Isla entstammen beide dem Volk der Sinti und Roma.


Handwerk

Traditionell lagen die Berufe der Sinti und Roma vor allem im handwerklichen Bereich. Wie die musikalischen Fähigkeiten wurden auch handwerkliche Fähigkeiten innerhalb der Familien weitergegeben und gelehrt. Viele Sinti und Roma arbeiteten als Gold- und Kunstschmiede oder waren tätig im Bau von Musikinstrumenten, insbesondere von Geigen. Es gab aber auch Kesselmacher, Sesselflechter, Siebmacher, Messerschleifer und Werkzeugmacher, Schuhputzer, Federsammler und Schrottsammler. Auch als Musiker, Tänzer und Zirkusartist verdienten sie ihren Lebensunterhalt. Als normales Gewerbe galt den Roma auch Betteln und Wahrsagen, meist von Frauen ausgeübt.

Ebenso wie in der Musik verschmolzen auch die handwerklichen Fähigkeiten mit den jeweiligen Besonderheiten der Länder, in denen die Sinti und Roma ansässig waren.

DIe meisten dieser Handwerke werden aufgrund der industriellen Massenfertigung, oder aber wegen der Schikanen gegen das Reisgewerbe,  heute nur noch selten ausgeübt. Immer mehr Roma sind – sofern sie Arbeit finden – als Fabrikarbeiter oder moderne Handwerker tätig. Oder auch als Händler und Geschäftsleute.


Erzählkultur

Die Erzählungen, die innerhalb der Familien meist durch die Ältesten von Generation zu Generation weitergegeben werden, machen einen wichtigen Teil der Kultur der Sinti und Roma aus. Meist handeln sie von den Erlebnissen und dem Leben als gesellschaftliche (Rand-)gruppe.

Durch die Verfolgung im Nationalsozialismus erlitt die Erzählkultur der Sinti und Roma jedoch einen starken Bruch. Der Völkermord hat fast eine ganze Generation ausgelöscht, so dass es nur noch sehr wenige alte Menschen gibt, die Geschichten an ihre Kinder und Enkel weitergeben können. Zum anderen werden die Geschichten oftmals durch die Erfahrungen des Holocaust bestimmt und überdecken damit frühere Erzählgungen.


Sprache

Die gemeinsame Sprache ist das Romanes, das eng mit dem alten Sanskrit verwandt ist. Das Romanes war bis zum 20. Jahrhundert eine rein mündliche Sprache und hat bis heute keine geschriebenen Regeln, auch wenn es in verschiedenen Regionen Europas Vorhaben gab und gibt, Romanes zu verschriftlichen, nicht immer unter Beteiligung der Betroffenen.

Romanes hat im Laufe der Jahrhunderte und aufgrund der Wanderwege unterschiedliche Dialekte entwickelt.. So spricht man zum Beispiel von einem „deutschen Romanes" oder einem „ungarischen Romanes". Einige Roma-Gruppen haben im Verlauf der langen Geschichte, vor allem aber der Ausgrenzung und der versuchten Zwansassimilierung wegen, ihre Sprache verloren.


Religion

Die Sinti und Roma lassen sich keiner festen religiösen Gemeinschaft zuordnen. Sie haben keine konfessionelle Identität, keine formelle Kirchenzugehörigkeit. Häufig ist der jeweilige Lebensort für die religiöse Prägung ausschlaggebend. In der Regel haben sie sich an die jeweilige Religion der Mehrheit der Bevölkerung angepasst. Ein Großteil der Sinti und Roma ist römisch-katholisch, griechisch-orthodox oder auch muslimisch.

Auch bestimmte Formen sehr alter religiöser Überzeugungen sind bis heute erhalten. Etwa im Kult der indischen Göttin Kali, die in Serbien Bibijaka heißt. Oder in der Verehrung der Schwarzen Sarah in Les Saintes de la Mar in Frankreich, oder der Sainte Anne de Baupre in Quebec in Kanada.


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