Politisches System und aktuelle Politik in Armenien

Seit 1991 ist Armenien eine souveräne Republik. 2015 kam es zu einer entscheidenden Verfassungsreform, die die Macht des Präsidenten einschränkte. Seit über einem Jahrzehnt hatte die "Republikanische Partei" des Präsidenten Sersch Sargsjan das Land regiert. Die Exekutive oblag allein dem Präsidenten, er hatte das Recht den Premierminister zu ernennen.

Mit dieser Reform begann somit der Übergang weg von der semi-präsidentiellen hin zu einer parlamentarischen Republik. In der Realität verfügt der amtierende Präsident jedoch nach wie vor über eine gewisse Macht, sodass man im Grunde nach wie vor von einer semi-präsidentiellen Republik sprechen könnte. Als Staatsoberhaupt ist der Präsident der oberste Militärkommandant und somit verantwortlich für die territoriale Integrität Armeniens.

Im Frühjahr 2018 kam es zur "Samtenen Revolution". Die Proteste richteten sich gegen den Premierminister Sersch Sargsjan und die regierende Republikanische Partei, denen die Demonstranten unter anderem vorwarfen, für Korruption und Vetternwirtschaft in Armenien verantwortlich zu sein.

Im Sommer 2020 erlebte das Land eine Verfassungskrise. Premier Paschinjan veranlasste aus politischen Erwägungen heraus - entgegen der Empfehlungen der Venedig-Kommission - Änderungen am Grundgesetz des Landes.

Seit dem Wiederaufflammen des Krieges um die Region Bergkarabach und der Unterzeichnung des von Moskau vermittelten Friedensabkommens zwischen Armenien und Aserbaidschan im November 2020 ist Armenien in Aufruhr. Das Abkommen beendete zwar die mehrwöchigen Kämpfe in der Kaukasusregion Berg-Karabach, hatte für Armenien aber Gebietsverluste zur Folge. Dem muslimischen Nachbarland Aserbaidschan wurden große Teile der umstrittenen Kaukasus-Region und umliegende Gebiete zuerkannt.  Aufgrund der beachtlichen Gebietsverluste im Krieg in Bergkarabach mit Aserbaidschan Ende 2020 geriet der Ministerpräsident Nikol Paschinjan innenpolitisch massiv unter Druck. Anfang 2021 forderten hochrangige Militärs den Rücktritt Paschinjans. Dieser spricht vom "Versuch eines Militärputsches". Tausende protestierten auf den Straßen der Hauptstadt Eriwan, der Westen rief armenische Militärs zur Zurückhaltung auf. Auslöser für die jüngste Krise war der Streit um den Einsatz russischer Raketen im Bergkarabach-Krieg.


 Ausführliche Informationen zum Bergkarabach-Konflikt 2020


 

Verfassung

Die Verfassung Armeniens ist seit 1995 in Kraft. Sie wurde über ein nationales Referendum angenommen, hatte jedoch in der damaligen Form eine Schwächung der Befugnisse des Parlamentes gegenüber dem Präsidenten zur Folge .

Die Verfassung wurde zuletzt durch das Referendum 2015 weitreichend geändert.  Durch die Verfassungsreform wurde das semi-präsidentielle in ein parlamentarisches System umgewandelt. Die umstrittene Verfassungsreform  hatte eine Machtverschiebung vom Präsidenten auf den Regierungschef zur Folge, das Referendum wurde angenommen, nachdem der Präsident erklärt hatte, nicht als Ministerpräsident zu kandidieren.

Nach der "Samtenen Revolution" 2018 befand sich Armenien in einer Übergangsperiode. Die Revolution hatte sowohl für das Parlament als auch für vorläufige Minderheitsregierung von Premierminister Nikol Paschinyan zu einer Reihe von verfassungsrechtlichen und verfassungspolitischen Problemen geführt. Die Auflösung des Parlaments und der Weg zu den Ende 2018 stattfindenden Neuwahlen waren mit den vorhandenen Verfassungsmechanismen nicht einfach.

Im Sommer 2020 erlebte das Land eine Verfassungskrise. Premier Paschinjan veranlasste aus  politischen Erwägungen heraus - entgegen der Empfehlungen der Venedig-Kommission - Änderungen am Grundgesetz des Landes.

Präsident

Der Präsident Armeniens wurde bis zur Verfassungsreform 2015 direkt  von Volk  gewählt und hat weitreichende Befugnisse. Die Amtszeit ist auf sieben Jahre angesetzt.

Im Zuge der Reform wurden wesentliche Befugnisse vom Präsidenten hin zum Ministerpräsidenten verschoben. So darf der Präsident zwar weiterhin den Ministerpräsidenten ernennen, welcher fortan jedoch vom Parlament bestätigt werden muss. Ferner erhielt der Regierungschef die Befehlsgewalt über die Streitkräfte und weitgehende Vollmachten in der Außenpolitik.

Die Reform sollte für mehr politische Vielfalt sorgen und Abstand vom Modell eines von nur einem „starken Mann“ geführten Staat nehmen. Doch wie in so vielen ehemaligen sowjetischen Republiken zeigte sich nun auch in Armenien, dass der abtretende Präsident eine neue Machtbasis in der Regierung sucht.

Im Frühjahr 2018 wählten die Mitglieder des armenischen Parlaments mit großer Mehrheit Armen Sarkissjan zum neuenStaatspräsidenten des Landes; es gab keinen Gegenkandidaten. Sein Vorgänger Sersch Sargsjan durfte nach zwei Amtsperioden nicht mehr erneut antreten. Der  neu ins Amt gekommene Präsident Armen Sarkissjan versuchte daraufhin, seinen Vorgänger Sersch Sargsjan zum Ministerpräsidenten zu ernennen, woraufhin es zu Protesten in der Bevölkerung und den Oppositionsparteien im Parlament kam.

Diese Protestwelle wird auch als "Samtene Revolution" bezeichnet und gilt als die größte in einer Ex-Sowjetrepublik seit der Maidan-Bewegung in der Ukraine 2013/14.  Die Proteste richteten sich gegen Sersch Sargsjan und die regierende Republikanische Partei, denen die Demonstranten unter anderem vorwarfen, für Korruption und Vetternwirtschaft in Armenien verantwortlich zu sein.  Sargsjan beugte sich den Protesten und reichte nach nur sechs Tagen seinen Rücktritt vom Amt des Premierministers ein.

Nachdem Armen Sarkissjan im Januar 2022 überraschend seinen Rücktritt erklärt, wurde bei der Wahl im März 2022Wahagn Chatschaturjan zum neunen Staatspräsidenten gewählt.

 

Parlament

Das armenische Parlament, die Nationalversammlung, wird alle vier Jahre gewählt. Es gibt nur eine Kammer mit 132 Abgeordneten.

Die Parlamentswahl 2017 war die erste Wahl seit der Verfassungsänderung und schloss den Übergang zum neuen System ab. Rund 2,5 Millionen Armenierinnen und Armenier waren aufgerufen an die Wahlurnen zu gehen. Fünf Parteien und vier Parteibündnisse stellten sich zur Wahl. Die regierende Republikanische Partei konnte die Wahl gewinnen und erneut die absolute Mehrheit der Sitze erreichen. Ministerpräsident Karen Karapetjan, der seit 2016 regierte, blieb damit im Amt. Nach der Auflösung des Parlaments und zwei gescheiterten Anläufen, einen neuen Ministerpräsidenten zu wählen, kam es im Dezember 2018 zu vorgezogenen Parlamentswahlen. Aus dieser ging die  erst im gleichen Jahr gegründete Mein-Schritt-Allianz (IKD) mit 88 Abgeordneten als Sieger hervor.  Der seit Mai 2018 amtierende Ministerpräsident Nikol Paschinjan kam im Zuge der „Samtenen Revolution" an die Regierung.

Im Juni 2021 fanden vorgezogene Parlamentswahlen statt. Planmäßig hätte die Wahl eigentlich erst 2023 stattfinden  sollen, wurde nach dem verlorenen Krieg um Bergkarabach 2020 und nachfolgenden Protesten jedoch vorgezogen. In Folge von Protesten war der amtierende Ministerpräsident Paschinjan im April 2021 zurückgetreten, um den Weg zur Auflösung des Parlaments und Neuwahlen freizumachen. Viele neuen Parteien und Bündnisse sind daraufhin zur Wahl angetreten. Auch Paschinjan trat erneut als Spitzenkandidat seiner Partei Zivilvertrag an. Das Regierungsbündnis konnte deutlich über 50 Prozent erreichen und Paschinjan wurde erneut Ministerpräsident Armeniens.

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Quellen:

Auswärtiges Amt: Armenien

Wikipedia: Armenien

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