Politisches System und aktuelle Politik in der Slowakei

Die Slowakei existiert in ihrer heutigen Form seit 1993 und ist, neben Tschechien, einer der beiden Nachfolgestaaten der Tschechoslowakei. In den 90er Jahren hatte der Staat unter dem Ministerpräsidenten Vladimir Mečiar Probleme, sich als liberale Demokratie zu konsolidieren. Die halbautoritäre Herrschaft Mečiar führte zu einer extremen Polarisierung der Bevölkerung in Bezug auf die Etablierung einer liberalen Demokratie. Mit dem Regierungswechsel demokratieorientierter Kräfte im Jahr 1998 begab sich das Land auf dem Weg zur demokratischen Konsolidierung und europäischen sowie internationalen Integration.

Die Slowakei hat im Laufe der Zeit immer wieder mit Korruptionsskandalen zu kämpfen. Der letzte Skandal betraf die Regierung um Ministerpräsident Fico 2018, als ein Journalist ermordet wurden, nachdem dieserr mafiöse Verwicklungen von Politik und Wirtschaft aufgedeckt hatte. Infolgedessen kam es zu Massendemonstrationen  in mehreren Städten. Nach dem Rücktritt Ficos sowie des Regierungswechsels nach den Parlamentswahlen 2020 sollte die Korruptionsbekämpfung weiter vorangetrieben werden. Die Arbeit der Regierung um den Ministerpräsidenten Matovic wurde jedoch von der Pandemie und Streitereien innerhalb der Vier-Parteien-Koalition überschattet. Es folgten mehrere Regierungskrisen und Ministerpräsidentenwechsel sowie Koalitionsbrüche. Mit den Wahlen im Herbst 2023 wurde der ehemalige Ministerpräsident Robert Fico in einem Drei-Parteien-Bündnis Ministerpräsident. Eines seiner Wahlversprechen war es, die militärischen Hilfen für die Ukraine einzustellen.

Das Attentat auf Premier Robert Fico im Mai 2024 erschüttert die Slowakei und zeigt, wie sich die Stimmung im Land fortschreitend aufgeladen hat. Neben der anhaltenden Korruptionsbekämpfung bilden die Polarisierung der Gesellschaft, die hohe Desinformation und Verbreitung von Verschwörungstheorien sowie das öffentliche Misstrauen in politische Institutionen die größten Herausforderungen der slowakischen Demokratie. Auch die Unzufriedenheit der Slowaken mit dem Funktionieren der Demokratie ist im europäischen Vergleich relativ hoch und lag 2020 bei 54 Prozent (zum Vergleich: der EU-Durchschnitt liegt bei 41 Prozent).

Aktuelle Politik

Wahlen

Nach den Wahlen in den Jahren 2012 und 2016 war Robert Fico viele Jahre lang regierender Ministerpräsident. Seit der Parlamentswahl 2016 regiert in der Slowakei die linkspopulistische Partei Smer-SD (Smer – sociálna demokracia) von Ministerpräsident Fico in einem Bündnis mit der Slowakischen Nationalpartei (Slovenská národná strana, SNS) und Most-Híd (Brücke), einer Partei der ungarischen Minderheit. Im März 2018 übernahm Ficos Parteikollege Peter Pellegrini das Amt des Ministerpräsidenten. Auslöser für diesen Wechsel war ein Skandal um den Mord an einem Investigativjournalisten, welcher über   Korruption in der slowakischen Politik recherchierte. Im Mittelpunkt der Vorwürfe stand der damalige Ministerpräsident Fico, dem vorgeworfen wurde, insbesondere in seinem engsten Umfeld geschäftliche Beziehungen zu den organisierten Verbrechen unterhalten zu haben. Nach Massenprotesten 2018 trat dieser zurück.

Bei der Parlamentswahl 2020 kam es zu einem Regierungswechsel. Die konservative OL´aNO Partei gewann mit 25 Prozent der Stimmen und wurde stärkste Kraft. Die bis dahin regierende Smer verlor knapp 10 Prozent ihrer Stimmen und musste in die Opposition wechseln. Igor Matovic von der OL´aNO Partei übernahm das Amt des Ministerpräsidenten und formte eine Mitte-rechts-Regierung bestehend aus der rechtspopulistischen Sme rodina (dt. Wir sind eine Familie), der liberalen SAS (dt. Freiheit und Solidarität) und der mitte-rechtsstehenden Za ludi (dt. Für die Menschen). Das wichtigste Wahlkampfthema war die Korruptionsbekämpfung, gefolgt von der Gefahr des aufsteigenden Rechtsextremismus sowie sozialpolitischen Fragen. Die Rechtsextreme L´SNS bekam knapp 8 Prozent der Stimmen und landete auf Platz vier.

Prägend für die Regierung von Matovic waren Streitigkeiten bei der Bewältigung der Coronapandemie, welche in einem Regierungsrücktritt Matovics im März 2021 mündete. Den Posten des Ministerpräsidenten übernahm der vorherige Finanzminister Eduard Heger. Jedoch erschütterten weitere Krisen die Regierung: zuerst der Austritt der SAS aus der Koalition und wenige Monaten später folgte das Misstrauensvotum, mit welchem die Regierung endgültig gestürzt wurde. Die SAS bemängelte eine „Inkompetenz“ der Regierung in Bezug auf die Energiekrise und die Inflation. Von Mai 2023 bis zur Vorgezogenen Parlamentswahl im September ist eine Übergangsregierung mit Experten unter der Führung des parteilosen Finanzexperten Ludovit Odor von  Präsidentin Zuzana Caputova vereidigt worden.

Von der Regierungskrise und den vorgezogenen Neuwahlen konnte vor allem die Smer um ihren Chef Robert Fico profitieren. Aus der Parlamentswahl im September 2023 ging die linkspopulistische Smer-Partei mit gut 23 Prozent der Stimmen als stärkste Kraft hervor. Die liberale Partei „Fortschrittliche Slowakei“ von EU-Vizeparlamentspräsident Simecka kam auf knapp 18 Prozent. Die Sozialdemokratische Hlas (dt. Stimme) kam mit knapp 15 Prozent auf Platz drei. Sowohl die progressive „Fortschrittliche Slowakei“ als auch die Hlas haben immense Zugewinne erzielen können und zogen neu in das Parlament ein. Die ehemalige Regierungspartei OL´aNO landete nach großen Einbußen mit knapp 9 Prozent auf Platz vier. Weiter eingezogen sind die katholisch-konservative KDH, die in der letzten Regierung vertretene SAS, sowie die Slowakische Nationalpartei. Die rechtspopulistische Sme rodina, welche ebenfalls in der Regierung war, flog mit 2 Prozent aus dem Parlament. Der Ex-Ministerpräsident und Vorsitzende der Smer-Partei Robert Fico wurde mit der Regierungsbildung beauftragt. Zusammen mit der sozialdemokratischen Hlas und der nationalkonservativen Slowakischen Nationalpartei.

Das dominierende Wahlkampfthema war der Umgang der Slowaken mit dem Ukrainekrieg. Vor allem Fico hatte mit einer pro-russischen Haltung Wahlkampf gemacht und sich kritisch gegenüber der NATO und der EU geäußert sowie ein Ende der Unterstützung der Ukraine gefordert. Die Wut in der Bevölkerung hätte ihm zum Sieg verholfen, auch die gespaltene Stimmung gegenüber der Hilfe für die Ukraine, so Beobachter. Weitere Themen betrafen den Kampf gegen die Korruption sowie Arbeitsmarktpolitische und sozialpolitische Fragen. Bei der Frage nach dem Ausbau der Kernkraft bestand eine große Einigkeit. Im Vorfeld der Wahl kam es zu zahlreichen Festnahmen von Mitarbeitern des Sicherheitsapparates, welche unter anderem Vertraute des aktuellen Ministerpräsidenten Fico betrafen. Es wurden ihnen Korruption sowie Amtsmissbrauch vorgeworfen. Fico beschuldigte vor der Wahl die damalige Regierung sowie die Präsidentin, ihre Razzien seien allein politisch motiviert. Beobachter warnen vor einem weiteren Sinken des Vertrauens in den Rechtstaat und die demokratischen Institutionen, welche eine Gefahr für die slowakische Demokratie im Ganzen darstellt.

Attentat auf Premier Robert Fico

Am 15. Mai 2024 ist Regierungschef Fico ist bei einem Attentat lebensgefährlich verletzt worden. Seit der Wahl im Herbst 2023 ist er mit einm gemäßigter auftretenden linken Regierungspartner und einer kleinen rechtsnationalen Partei im Amt. Die liberale pro-europäische Opposition sieht seitdem den Rechtsstaat und die Pressefreiheit in Gefahr und organisiert regelmäßig regierungskritische Proteste.Auch am Tag des Attentats wollte sie gegen die geplante Abschaffung der öffentlich-rechtlichen Medien demonstrieren. Vize-Chef der Fico-Partei, Lubos Blaha verurteilt den Anschlag auf das Schärfste, es zeige, was die liberalen Medien und die politische Opposition in den letzten Jahren angestellt hätten. Den Hass gegenüber Fico geschürt und „ihm den Galgen errichtet." Im Video des mutmaßlichen Schützen erklärt dieser, er sei nicht einverstanden mit der Politik der Regierung und fragt: „Warum wird der öffentlich-rechtliche Rundfunk attackiert?".

Der Politologe Miroslav Radek bezeichnet es als einen kollektiven Schock: „Dieser Schock hat allerdings auch eine Vorgeschichte: Ich erinnere an 2018, an den Mord an dem Journalisten Jan Kuciak und seiner Verlobten”, so Radek. „Ich erinnere an den Hass einiger Politiker auf Journalisten. Ich erinnere an den Doppelmord vor einer queeren Bar in Bratislava im Jahr 2022. Das sind alles Folgen der angespannten Stimmung. Unsere Gesellschaft ist so polarisiert wie nie zuvor.”

Präsidentschaftswahlen

Bei der letzten Präsidentschaftswahl 2019  kam es zu einer Stichwahl zwischen zwei proeuropäischen Kandidaten: der  bürgerlich-liberalen  Zuzana Caputová und dem sozialkonservativen EU-Kommissar Maroš Šefcovic. Caputová ging als Siegerin hervor und wurde die erste weibliche Präsidentin der Slowakei. Besonders westeuropäische Medien reagierten euphorisch auf das Wahlergebnis und stilisierten Caputová bisweilen gar zur Nachfolgerin Václav Havels. Im Hintergrund ihrer Wahl standen die Korruptionsvorwürfe der Fico-Regierung sowie der Mord des Investigativjournalisten Jan Kuciak. Caputova ging als Hoffnungsträgerin der Demonstrationsbewegung hervor und sprach sich für eine Veränderung, für „mehr Anständigkeit in der Politik und mehr Gerechtigkeit“ aus. Für eine zweite Amtszeit bei den Präsidentschaftswahlen 2024, die Ihr nach Beobachtern als sicher galt, tritt die Juristin jedoch nicht mehr an. Während ihrer Amtszeit wurden ihre Familie und sie selbst Opfer von Anfeindungen und Morddrohungen.

Migration

Im Zuge des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine 2022 öffnet sich das Land in einer großen Welle der Hilfsbereitschaft den ukrainischen Geflüchteten. Obwohl die Slowakei nur eine Bevölkerung von 5,5 Millionen hat, hat das Land bislang über 300.000 Ukrainerinnen und Ukrainer aufgenommen. Ebenso wie das Nachbarland Tschechien, das ebenfalls eine gleiche Anzahl an Kriegsflüchtlingen aufgenommen hat. Das Leid der Ukrainerinnen und Ukrainer sei für viele in Osteuropa wie ein eigenes Leid. Russland werde von einigen osteuropäischen Staaten selbst als Bedrohung empfunden. Das Geschehen in der Ukraine sei sehr viel näher, als das bei anderen Flüchtlingsdiskussionen der Fall gewesen wäre, so die die Vize-Präsidentin des EU-Parlaments Katharina Barley, die auf ein grundsätzliches Umdenken in der Migrationspolitik der Länder hofft.

In Fragen der Einwanderung aus Ländern außerhalb Europas zählt die Slowakei, laut einer Studie des Forschungszentrums der TU Dresden MIDEM, zu den immigrations-feindlichsten Gesellschaften der Europäischen Union. Laut einer Umfrage im Umfeld der Wahl 2019 sahen vier von fünf Slowaken die Einwanderung von außerhalb Europas kritisch. Mit  diesem Ergebnis führten die Slowaken eindrücklich vor, dass Europafreundlichkeit und Flüchtlingsfeindlichkeit nicht nur zusammengehen, sondern für die Gesellschaft gemeinsam prioritär sind, so die Wahlanalyse des MIDEM.

Zuzana Caputová ist  ein klarer Gegenentwurf zu ostmitteleuropäischen (Rechts-)Populisten wie dem ungarischen Premier Viktor Orbán. Da die Aufgaben der slowakischen Präsidentin jedoch vorwiegend repräsentativer Natur sind ist zu vermuten, dass Caputová nicht allzu viel wird bewegen können. Die aktuelle Regierung unter Ministerpräsident Fico spricht sich gegen aktuelle Pläne zu EU-Reformen im Bereich der Migration aus. Besprochen wird aktuell der sogenannte „Migrationsdeal“, in welchem künftige EU-Staaten, welche keine Migranten aufnehmen, Ausgleichzahlungen an andere EU-Staaten tätigen müssen.

 


Wirtschaft

Wie es um die wirtschaftliche Situationin der Slowakei bestellt ist, ist hier nachzulesen.

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Verfassung

Noch während der Existenz der CSFR (Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik) erarbeitete die Slowakei ihre erste Verfassung. Am 3. September 1992 trat sie teilweise und mit Zerfall der Tschechoslowakei im Januar 1993 vollständig in Kraft. Nach dem Muster westlicher Demokratien enthält sie einen Grund- und Menschenrechtskatalog und legt Grundlagen der parlamentarischen Demokratie fest. Außerdem sind direktdemokratische Verfahren in der Verfassung verankert. 

Präsident

Der slowakische Staatspräsident wurde in den ersten Jahren nach der Unabhängigkeit vom Parlament gewählt. Seit 1999 wählt ihn das Volk direkt. Seine Amtszeit dauert fünf Jahre und es sind maximal zwei Amtsperioden zulässig. Die Aufgaben des Staatspräsidenten sind überwiegend repräsentativer und zeremonieller Natur. Er verfügt aber auch über einige gestaltende Kompetenzen. Mit dem Nationalrat zusammen entscheidet er beispielsweise, welcher Kandidat sich für den Posten des Regierungschefs eignet. Scheitert die Regierungsbildung am Nationalrat, so kann er das Parlament auflösen und Neuwahlen ausrufen. Ein vom Parlament verabschiedetes Gesetz kann er zurückweisen und zu erneuter Beratung vorlegen. Er vertritt den Staat nach außen, legt jedoch nicht die Richtlinien der Außenpolitik fest - dies ist der Regierung vorbehalten.

Aktuelle Präsidentin seit der Wahl 2019 ist Zuzana Caputová. Sie ist die erste weibliche Präsidentin der Slowakei.

Regierung

Die slowakische Regierung besteht aus dem Ministerpräsidenten, seinem Stellvertreter und den Ministern. Generell ist es nicht erlaubt, als Mitglied der Regierung gleichzeitig auch Abgeordneter im Nationalrat zu sein. Der Nationalrat muss der Regierung nach ihrem Antritt sein Vertrauen aussprechen und kann es ihr in Form eines Misstrauensvotums komplett oder auch nur einzelnen Mitgliedern wieder entziehen. Damit die Regierung einen Beschluss annehmen kann, muss die Mehrheit der Regierungsmitglieder zustimmen.

Der aktuelle Ministerpräsident ist Robert Fico aus der Smer-Partei. Er trat am 25. Oktober 2023 sein Amt an. Bereits in den Jahren 2006-2010 sowie 2012-2018 war Fico Regierungschef. Aktuell ist es seine vierte Runde als Ministerpräsident.

Parlament

Die Slowakei besitzt ein Einkammerparlament – den Nationalrat der Slowakischen Republik mit 150 Abgeordneten. Diese werden in allgemeiner, gleicher, direkter und geheimer Wahl nach dem Verhältniswahlrecht für vier Jahre gewählt. Die zwei wichtigsten Aufgaben des Parlaments sind Gesetzgebung und Regierungskontrolle. Letzteres bedeutet, dass Regierungsmitglieder auf Verlangen des Nationalrats Rechenschaft über ihr Handeln ablegen müssen. Ist das Parlament mit der Regierungsarbeit nicht zufrieden, kann es mit absoluter Mehrheit der Abgeordneten einzelnen Ministern oder der gesamten Regierung sein Misstrauen aussprechen.

Aus der Parlamentswahl 2023 ging die linkspopulistische Smer-Partei als stärkste Kraft hervor, Ministerpräsident ist Robert Fico.

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Quellen

Auswärtiges Amt:  Slowakei

CIA World Fact Book: Slowakei

europa.eu: Slowakei

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