Politisches System und aktuelle Politik in Georgien

Georgien ist eine demokratische Republik mit einem starken Präsidialsystem und zentralisierter Verwaltung. Kritiker werfen dem System vor, politische und bürgerliche Rechte einzuschränken, freie Wahlen gebe es nur auf dem Papier. 2003 wurde durch die Rosenrevolution der Weg geebnet zu einer rechtsstaatlichen, repräsentativen Demokratie. Durch die Wahlrechtsreform von 2020 wurde die parlamentarische Demokratie weiter gestärkt.

 

 

Aktuelle Politik

Ein Großteil der georgischen Bevölkerung ist in den vergangenen Jahren zunehmend von der Politik und ihrer Klientel-Wirtschaft enttäuscht. Sozial haben sich die Lebensbedingungen nicht verbessert. Große Investitionen, wie der Hafen von Anaklia, werden blockiert. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung hat kein solides Einkommen. Gerade in Corona-Zeiten ist die Wirtschaft deutlich abgestürzt. Der Umtauschkurs von der georgischen Währung GEL (Lari) zum Dollar/Euro hat sich massiv verschlechtert. Das Land leidet unter der Inflation.

Wahlen  – Rücktritte und Regierunsgkrise

Die letzten Parlamentswahlen fanden im Oktober 2020 statt. Gewählt wurde nach einem neuen Wahlrecht, das im Sommer nach langen und schwierigen Verhandlungen, auch auf Druck der Vereinigten Staaten sowie der Europäischen Union, verabschiedet wurde. Es verspricht mehr Demokratie und politische Teilhabe aller Bürger des Landes und räumt der Opposition mehr Chancen ein.

Nach offiziellen Angaben der Wahlkommission ging die seit 2012 regierende  Partei  „Georgischer Traum“ als Sieger hervor. Premierminister Giorgi Gacharia  wurde im Amt bestätigt. Laut der Opposition kam es zu Wahlbetrug und Wahlbeeinflussung. Dies wurden allerdings von internationalen Beobachtern nicht  bestätig, es seinen keine massiven Verstöße gegen das Prinzip freier und fairer Wahlen feststellbar.

Die Oppositionsparteien weigerten sich, das Ergebnis der Wahl anzuerkennen und am parlamentarischen Betrieb teilzunehmen. Es kam zu massiven Protesten auf den Straßen und zu einer Regierungskrise. Die Fromten verhärteten sich weiter, schließlich kam es am 1. Februar 2021 zum Rücktritt Gacharias. Dies war nicht der erste Rücktritt eines Ministerpräsidenten. Bereits seine Vorgänger Giorgi Kwirikaschwili und Mamuka Bachtadse traten mit einem Rücktritt ab.

Im Frühjahr 2021 forderte eine europäisch/amerikanische diplomatische Initiative die gewählten Parlamentarier auf, ihre politische Arbeit wieder aufzunehmen und die Regierungskrise zu beenden. Seit dem 22. Februar 2021 ist  Irakli Gharibaschwili Premierminister Georgiens, er bekleidete dieses Amt zuvor bereits von 2013 bis 2015.
Doch auch sein Rücktritt wurde in Protesten auf der Straße gefordert. Anlass war der Tode eines Kameramanns,  der auf einer Protestaktion von schwulenfeindlichen Demonstranten verprügelt worden war und wenig Tage später seinen Verletzungen erlag. Kritiker werfen Garibaschwili und seiner Regierung eine Mitverantwortung für die Gewalt gegen Medienschaffende bei den jüngsten Anti-LGBTQ-Protesten in der georgischen Hauptstadt vor. Auch oppositionelle Abgeordnete im Parlament forderten ebenfalls den Rücktritt des Ministerpräsidenten, ein Tumult brach aus, als mehrere Abgeordnete den Stuhl des Parlamentspräsidenten besetzten. Die politische Krise im Land setzt sich fort.

Seit Frühjahr 2024 haben sich die Proteste weiter verstärkt. Anlass ist ein neues Gesetz zu „ausländischer Einflussnahme"von dem Kritiker befürchten, dass es wie in Russland zur Drangsalierung der Zivilgesellschaft genutzt werden soll. Das georgische Parlament hat das Gesetz m Mai trotz wochenlanger massiver Proteste beschlossen. Präsidentin Salome Surabischwili positioniert sich auf Seiten der Demonstranten und hat das Gesetz komplett abgelehnt und ein Veto eingelegt. Allerdings hat die Regierungspartei dieses Veto wiederum mit ihrer Mehrheit überstimmt, somit kann das Gesetz in Kraft treten. Ana Natswlischwili von der Oppositionspartei Lelo warnt, es gehe um nicht weniger als die Unabhängigkeit Georgiens, mit ihrer Politik treibe die Regierung das Land zurück in den russischen Orbit.

„Wenn dieses Gesetz in Kraft tritt, ist der EU-Beitritt Georgiens ernsthaft in Gefahr“, warnte auch Stephan Malerius, Leiter des Südkaukasus-Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Tflis. Bei den Demonstrationen in Georgien gehe es längst nicht mehr nur um ein Gesetz, sondern um die Ausrichtung des Landes. Die Jugendlichen, die derzeit mit Europafahnen in den Händen gegen die Regierung auf die Straße gingen, sehen ihre Zukunft in der EU und nicht als Anhängsel Russlands.  Laut einer Umfrage in der georgischen Bevölkerung vom April 2023 befürworten knapp 90 Prozent einen EU-Beitritt, Welche Auswirkungen das Gesetz auf die Zivilgesellschaft in Georgien haben könnte und mit welchen Folgen das Land in Bezug auf einen EU-Beitritt womöglich zu rechnen habe, machte Dr. Sonja Schiffers,  Leiterin des Südkaukasus-Büros der Heinrich-Böll-Stiftung in Tiflis. in einem Interview deutlich.

Die Europäische Union sowie die USA und die NATO haben Georgien aufgefordert, das umstrittene Gesetz zurückzuziehen. EU-Außenbeauftragte Borrell und Erweiterungskommissar Varhelyi erklärten, die Verabschiedung des Gesetzes wirke sich negativ auf die Fortschritte Georgiens auf dem Weg in die EU aus. Die EU möchte nun alle Möglichkeiten prüfen, wie das Bündnis auf die Entwicklungen in Georgien reagieren kann und welche Konsequenzen es für den EU-Beitritt des Landes haben wird.

Nach oben

Verfassung

Die erste Verfassung von Georgien nach dem Erlangen der Unabhängigkeit 1991 wurde nach den innenpolitischen Sezessionskonflikten Anfang der 90er Jahre im August 1995 angenommen und verankerte die wichtigsten Grundrechte für den demokratischen Aufbau. Mehrmals wurde die Verfassung modifiziert. 2004 wurde die Macht des Präsidenten durch Saakaschwili verfassungsrechtlich gestärkt, der sich mit entsprechenden Vollmachten wählen ließ.

Im November 2010 wurde ein neues Verfassungsgesetz verabschiedet, welches erst nach der Präsidentenwahl 2013 in Kraft trat. Dieses stärkte das Parlament und den Ministerpräsidenten mit seiner Regierung. Der Präsident verlor an Macht. Der Regierungschef wird nicht mehr vom Präsidenten vorgeschlagen, sondern von der stärksten Partei im Parlament.

Mit der Wahlrechtsreform 2020 wurde die parlamentarische Demokratie gestärkt. Die von der Regierungspartei "Der Georgische Traum" vorgeschlagene Verfassungsreform war das Ergebnis der Unterstützung der westlichen Partner Georgiens, insbesondere der EU, den USA, des Vereinigten Königreichs und anderer internationaler Partner. Das neue durch die Verfassung garantierte Wahlsystem ist nach dem Vorbild des für die Wahlen zum Europäischen Parlament verwendeten Systems gestaltet.

Präsident

Die Amtsperiode des Staatspräsidenten dauert fünf Jahre. Die frühere französische Spitzendiplomatin, Ex-Außenministerin Salome Surabischwili ist derzeit die erste weibliche Repräsentantin auf diesem Posten. Die rund 3,5 Millionen Wahlberechtigen in der ehemaligen Sowjetrepublik im Kaukasus hatten 2018 zum letzten Mal ihr Staatsoberhaupt direkt gewählt.

Eine Verfassungsreform, die nach dem Amtsantritt des zukünftigen Staatsoberhaupts in Kraft treten wird, sieht vor, dass Staatschefs künftig von einem Gremium gewählt werden, das aus Parlamentsabgeordneten und Vertretern der lokalen Verwaltung besteht. Die Kompetenzen künftiger Präsidenten wurden im Zuge einer Verfassungsreform demnach beschnitten. Georgiens Präsidenten werden in Zukunft vor allem repräsentative Aufgaben haben und  etwa kein Mitspracherecht in der Außenpolitik mehr haben. Georgien wäre dann eine rein parlamentarische Demokratie. Die Amnestie ist weiterhin Sache des Präsidenten bzw. der Präsidentin.

Parlament und Regierung

Die georgische Regierung ist die oberste Exekutive in Georgien, die die Innen- und Außenpolitik des Landes umsetzt. Der Regierungschef von Georgien ist der Premierminister, der Minister ernennt und entlässt und einem der Regierungsmitglieder die Aufgaben des Vizepremiers zuweist. Ein Misstrauensvotum gegenüber der Regierung kann abgegeben werden, wenn der Antrag von mehr als einem Drittel der Gesamtzahl der Abgeordneten vorgeschlagen wird. Zusammen mit einem Misstrauensantrag ernennen die Initiatoren einen Kandidaten für den Premierminister, und dieser schlägt eine neue Regierung vor.

Das Parlament von Georgien ist der oberste nationale Gesetzgeber Georgiens. Es ist ein Einkammerparlament, das derzeit aus 150 Mitgliedern besteht. Gemäß den Verfassungsänderungen von 2017 wird das Parlament 2024 in eine voll proportionale Vertretung übergehen.

Das bisherige georgische Wahlrecht hatte ganz entschieden die jeweils regierende Partei und ihre Klientel bevorzugt. Die 150 Abgeordneten des georgischen Parlaments wurden direkt und mit einfacher Mehrheit gewählt, wobei die Direktmandate immer an die Regierungspartei vergeben wurden. Diese aufgestellten Politiker waren immer sehr einflussreich und verfolgten meist ihre eigenen Interessen. Von Vorteil war zudem die ihnen zugestandene Immunität.

Das neue georgische Wahlrecht beruht ganz allgemein auf dem Modell der Wahlen zum Europäischen Parlament. Nunmehr werden 120 Sitze nach dem Verhältniswahlrecht und nur noch 30 Sitze nach dem Mehrheitswahlrecht gewählt. Die Direktmandate wurden also nicht komplett abgeschafft, aber immerhin doch deutlich reduziert: von 75 auf 30.

Autor: Ralph Hälbig. Aufbereitung für das Netz: Internetredaktion der LpB

Nach oben

Nach oben

Cookieeinstellungen
X

Wir verwenden Cookies

Wir nutzen auf unseren Websites Cookies. Einige sind notwendig, während andere uns helfen, eine komfortable Nutzung diese Website zu ermöglichen. Einige Cookies werden ggf. für den Abruf eingebetteter Dienste und Inhalte Dritter (z.B. YouTube) von den jeweiligen Anbietern vorausgesetzt und von diesen gesetzt. Gegebenenfalls werden in diesen Fällen auch personenbezogene Informationen an Dritte übertragen. Bitte entscheiden Sie, welche Kategorien Sie zulassen möchten.