Presse- und Meinungsfreiheit in Polen

Die Wende 1989 bedeutete für Polen auch das Ende der Zensur durch den kommunistischen Staat. Im März 1990 beschloss das polnische Parlament, den staatlichen Pressekonzern RSW zu zerschlagen und die Zeitungen zu privatisieren oder den Redaktionsgemeinschaften zu überlassen. Die Maßnahme trug zum Entstehen einer vielfältigen Presselandschaft bei. Die führenden Tageszeitungen wurden die linksliberale „Gazeta Wyborcza“ und die konservative „Rzeczpospolita“. Auch ausländische Medienkonzerne drängten auf den polnischen Markt. Stark engagiert ist der deutsche Axel Springer Verlag, dessen polnische Tochter seit 2006 die konservative Tageszeitung „Dziennik“ herausgibt sowie das Boulevardblatt „Fakt“, das sich an der Bildzeitung orientiert. 

Die Rundfunk- und Fernsehanstalten blieben auch nach der Wende im staatlichen Besitz. Daneben wurden Privatsender zugelassen.

Theoretisch sollen in Polen staatliche Institutionen keinen Einfluss auf die Sender ausüben können. Doch schon in den neunziger Jahren gab es vonseiten der Parteien Versuche den nationalen Rundfunk- und Fernsehrat mit eigenen Gefolgsleuten zu ersetzen. Der Rat hat die Aufgabe die Fernseh- und Rundfunksender zu beaufsichtigen und Lizenzen zu vergeben. Schon in der ersten Amtsperiode der PiS von 2005 bis 2009 kam es zum Versuch der Einflussnahme. So wurden leitende Fernseh- und Radiomitarbeiter auf Druck der Regierung entlassen oder versetzt. Zudem wollte die Regierungskoalition unter Führung der PiS eine Kontrollinstanz zur Beaufsichtigung der Medien schaffen. Nach scharfer Kritik vonseiten der Verlage und Journalisten zog die Regierung ihr Vorhaben wieder zurück.

Dagegen gelang es der PiS 2006 einen ihr genehmen Chefredakteur der Zeitung „Rzeczpospolita“ einzusetzen. „Rzeczpospolita“ unterstützte danach eindeutig die Politik der Regierungskoalition unter Führung der PiS. Auch „Fakt“ und „Dziennik“, die Publikationen des Verlags Axel Springer, stellten sich auf die Seite der PiS. Dabei vertraten sie sehr europakritische Positionen und appellierten manchmal auch an antideutsche Ressentiments.

Mit dem Regierungsantritt der liberal-konservativen Bürgerplattform (PO) im Oktober 2007 lockerte sich die staatliche Medienpolitik wieder. Aber es gab auch vonseiten der PO mitunter den Versuch die Medien im eigenen Sinne zu lenken, zum Beispiel bei der Besetzung der Intendantenposten. Mit dem Wahlsieg der PiS im Herbst 2015 hatte sich die Situation für die Medien in Polen abermals verschlechtert. Dis PiS hatte mit ihrer Mehrheit im Parlament ein neues Mediengesetz verabschiedet und damit den Rundfunkrat ausgeschaltet. Zudem hatte die Partei nun die Möglichkeit, die wichtigen Posten in den staatlichen Sendern mit eigenen Leuten zu besetzen. In Folge des Regierungswechsels waren über 140 Journalisten in den öffentlichen Rundfunkanstalten entlassen worden oder hatten selbst gekündigt..

Das Mediengesetz stößt seit Jahren auf scharfe Kritik in der EU. EU-Kommissar Oettinger sprach in seiner Amtszeit von den Gefahren für den Rechtsstaat in Polen. Andere Kritiker sprechen sogar von einer „Orbanisierung“ oder „Putinisierung“ Polens.

Im Dezember 2020 gab der staatliche Ölkonzern Orlen bekannt, dass er von der Verlagsgruppe Passahu die Polska Press übernimmt. 20 von Polens 24 regionalen Tageszeitungen, zudem 120 Wochenzeitungen und 500 Internetportale sowie Druckereien gelangen damit in Staatsbesitz. Ferner ist ein Gesetz zur „Repolonisierung der Medien“ in Polen schon in Vorbereitung, es soll ausländischen Eigentümern die Kontrolle von Medien verbieten. Zudem gab die Regierung bekannt, Medien ab Juli 2021 mit einer Sondersteuer zu belegen.

Das Polnische Parlament stimmte im August 2021 über ein umstrittenes neues Mediengesetz ab. Obwohl die nationalkonservative Koalition dabei zerbrach, konnte die Regierungspartei PiS ihr vielfach kritisiertes Rundfunkgesetz durch das Parlament bringen. Laut dem Gesetzentwurf sollten in Polen Rundfunklizenzen nur noch dann an Ausländer vergeben werden, wenn diese „ihre Zentrale oder ihren Wohnsitz im Bereich des Europäischen Wirtschaftsraums haben“. Das Gesetz zielt nach Ansicht von Kritikern hauptsächlich auf das unabhängige und regierungskritische Sendernetzwerk TVN ab, das über eine in den Niederlanden registrierte Holding Teil des US-Konzerns Discovery ist. Tritt das Gesetz in Kraft, muss der US-Konzern seine Mehrheitsbeteiligung an dem Netz verkaufen. Der Privatsender TVN hat zahlreiche Kanäle. Seitens der EU und den USA wurde das Gesetz als Bedrohung der Pressefreiheit kritisiert.

So hatte der polnische Präsident Andrzej Duda im Dezember 2021 ein Veto gegen das Gesetz eingelegt. Die Vorlage sei bei vielen Landsleuten unbeliebt und habe dem Ruf Polens als Unternehmensstandort geschadet. so Duda. Das vom Parlament gebilligte Vorhaben konnte somit nicht in Kraft treten. Die Opposition begrüßte den Schritt. Auf einer Protestkundgebung äußerte sich Donald Tusk, Vorsitzender der oppositionellen Bürgerplattform: Dudas Entscheidung für ein Veto mache deutlich, wie wichtig Druck von den USA sei - und Druck von der Straße, erklärte Tusk. „Soll niemand mehr sagen, dass es nicht der Mühe wert ist, dass es unmöglich ist, dass wir nichts tun können. Wir können und wir müssen", so Tusk..

Die Parlamentswahlen 2023 haben gezeigt, dass sich für die Opposition um Donald Tusk das Engagement gelohnt hat. Nach Jahren der PiS-Regierung kam es zu eine Regierungswechsel, der sogleich einen Machtkampf um das Thema Medien zwischen der Mitte-Links-Regierung von Donald Tusk und der abgewählten nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) von Jaroslaw Kaczynski entfachte. Der neue Kulturminister hatte im Dezember 2023 die bisherigen Aufsichtsgremien und Vorstände der drei Medien entlassen und neu besetzt. Daraufhin brach eine Protestwelle aus, PiS-Abgeordnete drangen in die Zentralen des öffentlich-rechtlichen  Fernsehens ein, um zu verhindern, dass die neuen Chefredakteure die Arbeit aufnehmen, besetzten die Redaktionsräume, es kam zu Handgemengen mit den Ordnungskräften. Schließlich hat die Regierung zum Jahresende 2023 die öffentlich-rechtlichen Medien ganz aufgelöst.

Nun strebt die neue Regierung eine umfassende Medienreform an,um die seit langem bestehende politische Einflussnahme auf die Informationsprogramme in Polen von Grund auf anzugehen. Die Umsetzung eines neuen Mediengesetzes ist jedoch ohne die Zustimmung des Präsidenten in Polen nicht möglich. Da die Regierungskoalition nicht über eine ausreichende Zahl an Abgeordneten verfügt, ist sie auf das  Einlenken des Staatsoberhauptes angewiesen. PiS-Anhänger werfen ihrerseits der neuen Regierung Gleichschaltung vor. Erstmals im freien Polen nach 1989 käme es zu einem Versuch, die öffentlich-rechtlichen Medien mit Gewalt zu übernehmen, so der PiS-nahe Präsident Duda in seiner Neujahrsansprache. Er werde eine solche Verletzung der Verfassung nicht dulden. Prestige und Glaubwürdigkeit der betroffenen Medien leiden unter der derzeitigen Lage, bleibt für die Zukunft zu hoffen, dass die Medien in Polen besseren Zeiten entgegen gehen. 

Das International Press Institute, die älteste Organisation zur Stärkung der Pressefreiheit, hatte Polen in einem Bericht bereits 2021 scharf kritisiert. Das Land habe unter der PiS-Regierung die Pressefreiheit durch juristische Schikanen und physische Angriffe, Entzug staatlicher Anzeigen, Manipulationen beim Vertrieb und regulatorische Diskriminierung umfassend geschrumpft.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen ist Polen relativ weit unten platziert. Im Jahr 2023 lag es auf Platz 57. Zum Vergleich: Deutschland liegt im selben Jahr auf Platz 21..

Reporter ohne Grenzen: Rangliste der Pressefreiheit 2023

 

 


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