Politisches System und aktuelle Politik in Ungarn

Aktuelle Politik

Seit mehr als zehn Jahren ist Viktor Orban  Ministerpräsident Ungarns. Er vertritt die rechtskonservative Partei FIDESZ.

Im April 2011 wurde eine neue Verfassung erlassen. Wie der ungarische Staatsrechtler Rupert Scholz 2012 feststellte, bekennt sich Ungarn laut neuem Verfassungstext zur europäischen Wertegemeinschaft und der europäischen Einigung sowie zum Prinzip des Rechtsschutzes und der Menschenrechte. Allerdings zeigte sich in den folgenden Jahren, dass es um die Wahrung der Menschenrechte in Ungarn nicht gut bestellt ist, wie Menschenrechtsberichte von Amnesty International und Human Rights Watch regelmäßig feststellen. Kritisiert wird die Beschneidung der Befugnisse des Verfassungsgerichts, ein fehlender Schutz vor Diskriminierung, z.B. von Homosexuellen, und eine Überbetonung der Nation im Verhältnis zum Individuum.

Im Jahr 2014 hat Orban sein Konzept der „illiberalen Demokratie“ vorgestellt. In seiner Rede über den „illiberalen Staat” im Sommer hatte er eine zentrale Aussage formuliert: „Nur weil ein Staat nicht liberal ist, kann er immer noch eine Demokratie sein.“  Seit dieser Rede wird der Begriff diskutiert und auf Staaten angewandt, die sich von liberalen Prinzipien verabschieden.

Wahlen

Sowohl aus der Parlamentswahl 2014 als auch  aus der Parlamentswahl 2018 ging Orbans national-konservative Fidesz-Partei mit zunächst 45 Prozent und vier Jahre später mit knapp 50 Prozent der Stimmen als Sieger hervor. Der amtierende Ministerpräsident Victor Orbán konnte mit diesem Ergebnis seine dritte Amtszeit in Folge antreten.

Auch die  Parlamentswahl im April 2022 gewann Orbans Regierungspartei abermals mit 53 Prozent der Stimmen. Auch wenn Politikexperten zuvor ein „Kopf-an-Kopf"-Rennen der Opposition vorausgesagt hatten, weil sich sechs Parteien der Opposition zusammen gerauft hatten, um mit dem gemeinsamen Spitzenkandidaten Peter Marki-Zay ins Rennen zu gehen, hatte dieser am Ende das Nachsehen. Das Parteienbündnis erzielte nur 35 Prozent der Stimmen. Marki-Zay hatte den Ungarn wieder mehr Nähe zu Europa versprochen und den Kampf gegen Korruption. Kritiker von Orbans befürchten nun einen weiteren Ausbau seiner „illiberale Demokratie", die den Namen Demokratie nicht wirklich verdiene.

Rechtsstaatlichkeit

Ungarns rechtskonservative Regierung hat mit ihrer Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament das Land in den vergangenen Jahren radikal umgebaut. Wie Polen ist das Land dabei Demokratie und Rechtsstaatlichkeit auszuhöhlen. Premier Viktor Orbán setzt auf eine europakritische Rhetorik, die die nationalen Medien prominent darstellen. Abweichende Meinungen finden hingegen keinen großen Widerhall.

Im Juni 2021 sorgte Orban für negative Schlagzeilen aufgrund der Erlassung eines neuen Anti-LGBT-Gesetzes.  Die Orban-Regierung schränkt damit die Rechte von sexuellen Minderheiten zunehmend ein und stempelt Homosexualität als Feindbildab. Homo- und Transsexualität sollen per Gesetz aus der Öffentlichkeit verschwinden. Die EU-Kommission har daraufhin ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn wie auch Polen eingeleitet. Dies ist nicht das erste Verfahren gegen die beiden Länder. Europa werde niemals zulassen, dass Teile der Gesellschaft stigmatisiert würden, erklärte Kommissionschefin von der Leyen. Polen und Ungarn haben nun zwei Monate Zeit, zu reagieren. Andernfalls kann die Kommission das Verfahren bis vor den Europäischen Gerichtshof bringen.

Der ungarische Kurs zog nun auch Konsequenzen, was die Fidesz-Partei im Europäischen Parlament anbelangt. Nach jahrelangen Streitigkeiten verließ im März 2021 die immer weiter nach rechts ausgescherte Parteides ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban die christdemokratische Fraktion  im Europäischen Parlament. Zwölf ungarische Fidesz-Abgeordnete sind von nun an also nicht mehr Teil der EVP Fraktion. Orban war mit dem Austritt dem Parlament zuvor gekommen, um eine Suspendierung zu verhindern. Fidesz habe gegen EU-Werte verstoßen, sagt EVP-Fraktionschef Weber.


Zur ausführlichen Analyse von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit: Aktuelle Lage in Bezug auf Pressefreiheit, Justiz und Umgang mit Minderheiten


Migration

Ungarn fährt in seiner Migrationspolitik einen extrem ablehnenden Kurs gegenüber Geflüchteten. Seit Beginn der sogenannten „Flüchtlingskrise" 2015 wird eindringlich vor den angeblichen Gefahren durch Migration gewarnt. „Überfremdungsängste“ wurden intensiv geschürt und der vermeintliche Verlust der eigenen Kultur durch Einwanderung  offensiv behauptet. „Die großen Nationen Westeuropas sind zu Einwanderungszonen geworden“, verkündete der alte und neue Ministerpräsident Viktor Orbán zur Lage der Nation am 18. Februar 2018, „Tag für Tag wandeln sich ihre kulturellen Grundlagen. Die in einer christlichen Kultur aufgewachsene Bevölkerung schrumpft und die großen Städte werden islamisiert.“ Begleitet wird dies von einer Informationskampagne, die landesweit auf Plakaten vor „Masseneinwanderung“ warnt.

Corona

Die Corona-Krise nutzt die ungarische Regierung, um sich als eine einflussreiche und tatkräftige Regionalmacht zu profilieren und das Konzept einer „illiberalen Demokratie" in die Region zu exportieren. Im Zuge einer  Kampagne „Vorwärts Ungarn" zeigte die Regierung demonstrativen Schulterschluss mit China, erhält große Lieferungen an Hilfsgütern wie Schutzmasken und verteilt diese mit großer Geste weiter an die Westbalkan-Staaten. Auch große Lieferungen an Impfstoffen trafen aus China ein.



Wirtschaft

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Verfassung

Ungarn ist seit Herbst 1989 eine parlamentarische Demokratie. 2011 hat die Ungarische Nationalversammlung eine neue Verfassung für Ungarn beschlossen, die zum 1. Januar 2012 in Kraft trat. Das neue Grundgesetz besteht aus vier Abschnitten: einem „Nationalen Bekenntnis“ (Präambel), einem Grundlagenteil, einem Katalog von Grundrechten und -pflichten sowie einem umfangreichen Kapitel über den Staatsaufbau. Die offizielle Bezeichnung des Staates lautet seitdem „Ungarn“ und nicht mehr „Republik Ungarn“. Von der ungarischen Opposition und der EU wurde Kritik an der neuen Verfassung geübt. Dabei wurde die Beschneidung der Befugnisse des Verfassungsgerichts, ein fehlender Schutz vor Diskriminierung, z.B. von Homosexuellen, und eine Überbetonung der Nation im Verhältnis zum Individuum beanstandet.

Die Verfassung wurde im September 2013 durch eine Novelle ergänzt. Diese beschränkt vor allem die Befugnisse des Verfassungsgerichts. Die Richter dürfen seitdem Verfassungsänderungen nur noch aufgrund des Verfahrens, nicht aufgrund von Inhalten prüfen. Zudem erlaubt es die Novelle, Wahlwerbung in privaten Medien zu verbieten und Obdachlose, die im Freien schlafen, zu bestrafen.


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Präsident

Ungarns Staatsoberhaupt ist der vom Parlament gewählte Staatspräsident. Seine Amtszeit dauert fünf Jahre. Eine Wiederwahl ist einmal möglich. Der Staatspräsident muss während seiner Amtszeit parteilos sein. Er nimmt hauptsächlich repräsentative Funktionen wahr, hat aber darüber hinaus auch das Recht der Gesetzesinitiative. Ein vom Parlament verabschiedetes Gesetz kann er entweder dem Parlament zu erneuter Beratung vorlegen oder vom Verfassungsgericht prüfen lassen. Ein Amtsenthebungsverfahren ist mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit der Abgeordneten aus dem Parlament möglich.

Die aktuelle Präsidentin Katalin Novák  wurde im Mai 2022 ins Amt gewählt.

Regierung

Die Regierungsbildung erfolgt nach den Parlamentswahlen. Dafür einigt sich der Staatspräsident mit den Vertretern der Parlamentsfraktionen auf einen Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten. Dieser Kandidat stellt sich einer Vertrauensabstimmung im Parlament. Stimmt die absolute Mehrheit der Abgeordneten für ihn, kann er mit der Regierungsbildung beginnen.

Die Regierung ist dem Parlament verantwortlich. Die Grundzüge der Regierungstätigkeit gibt der Ministerpräsident vor. Instrumente für die Stabilität der Demokratie sind zum einen das konstruktive Misstrauensvotum, das beim Parlament liegt. Zum anderen dürfen zahlreiche Gesetze nur mit Zwei-Drittel-Mehrheit verabschiedet und geändert werden.

Parlament

Das Parlament ist in Ungarn die höchste Volksvertretung. Es besteht aus einer Kammer, die bis 2014 noch 386 Abgeordnete hatte - dann wurde das Parlament auf 199 Sitze verkleinert. Die wichtigsten Aufgaben der Abgeordneten sind die Gesetzgebung und Regierungskontrolle, wobei es auch die Möglichkeit eines konstruktiven Misstrauensvotums gibt. Bei der Gesetzgebung arbeiten die Abgeordneten in Fachausschüssen, von denen es 19 ständige gibt. Jede Gesetzesvorlage wird zunächst im zuständigen Fachausschuss diskutiert und erst dann dem Plenum zur Beratung und Abstimmung vorgelegt. Das Parlament wählt zudem den Präsidenten des Landes, den Ombudsmann für Grundrechte, den Präsidenten der Kurie und die Verfassungsrichter. Damit hat das Parlament auch Einfluss auf die Judikative, die von der Kurie (ehemals Oberster Gerichtshof) und dem Verfassungsgericht angeführt wird.

Die Parlamentswahlen finden alle 4 Jahre statt. Nach einem am 2012 verabschiedeten Wahlgesetz sind auch Ungarn per Briefwahl stimmberechtigt, die ihren Wohnsitz außerhalb des Landes haben, zum Beispiel in den Nachbarstaaten Ungarns oder auch ungarische Emigranten in Westeuropa oder Nordamerika.

Aus der letzen Parlamentswahl 2018 ging Ministerpräsident Viktor Orban erneut als Sieger hervor und konnte seine dritte Amtszeit antreten. Auch die Parlamentswahl im April 2022 hat Orbans Regierungspartei Fidesz erneut klar gewonnen.

 

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Quellen

 www.auswaertiges-amt.de

Fischer Weltalmanach 2014

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