Politisches System und aktuelle Politik in Bosnien und Herzegowina

 

 

Aktuelle Politik

Bosnien und Herzegowina besteht aus zwei Landesteilen: Der Föderation Bosnien und Herzegowina (mehrheitlich von muslimischen Bosniaken und bosnischen Kroaten bevölkert) und der Republika Srpska (mehrheitlich von bosnischen Serben bevölkert). Das politische System Bosnien und Herzegowinas gilt dem zufolge auch eines der komplexesten und kompliziertesten weltweit. Selbst die konstituierenden Völker und Ethnien des Landes sind sich in vielen wichtigen Fragen uneinig. Immer wieder kommt es zu Abspaltungsbestrebungen der Republik Srpska.

Die politische Konstellation im Land ist entsprechend unübersichtlich. Das Verhältnis zwischen muslimischen, serbischen und kroatischen Bosniern konnte bisher nicht grundlegend verändert werden.  Bosnien-Herzegowina gilt nach wie vor als ein fragiles Staatsgebilde. Durch die Machtkämpfe konkurrierender ethnopolitischer Parteien ist das Land tief gespalten. Angesichts eines dysfunktionalen politischen Systems, schlechter wirtschaftlicher Aussichten und hoher Arbeitslosigkeit emigrieren vor allem junge Menschen.

 

Wahlen

Das Lage vor den Wahlen 2022 war geprägt von einer schweren politischen Krise. Sowohl die zersplitterte politische Parteienlandschaft, Korruption und Vetternwirtschaft als auch die fortschreitenden Abspaltungsbestrebungen der Republika Srpska vom Gesamtstaat tragen zur Destabilisierung bei.

Hatten die Nationalisten bei den Wahlen 2018 noch die Nasen vorne, mussten bei den Wahlen am 2. Oktober 2022 nun zwei von drei nationalistischen Kandidaten eine Niederlage hinnehmen. Bei der Wahl zum dreiköpfigen Staatspräsidium in Bosnien und Herzegowina gewann die sozialdemokratische SDP mit ihrem Kandidaten Denis Bećirović den bosniakischen Sitz im Staatspräsidium. Bei der Wahl für den kroatischen Sitz setzte sich der als moderat geltende Amtsinhaber Željko Komšić (DF) gegenüber der nationalistischen Kandidatin Borjana Krišto (HDZ BiH) durch. Der serbische Sitz im Präsidium bleibt hingegen in den Händen von Nationalisten. Die für die Abspaltung der Republika Srpska eintretende nationalistische Kandidatin Željka Cvijanović (SNSD) machte hier das Rennen.

Aus den Wahlen 2018 waren die nationalistischen Parteien noch als klare Sieger hervorgegangen. Auf der Ebene des Gesamtstaates Bosnien und Herzegowina wurden folgende drei Mitglieder ins Staatspräsidium gewählt: Sefik Dzaferovic als bosniakischer Vertreter, Zeljko Komsic als kroatischer und Milorad Dodik als serbischer Vertreter. Ferner stand das gesamtstaatliche Parlament und das Parlament der Föderation zur Wahl, die Versammlung der 10 Kantonsparlamente, der Präsident und der Vizepräsident der Republik Srpska  sowie die Nationalversammlung der RS zur Wahl..Die Wahlbeteiligung lag bei 53 Prozent. Eine neue Regierung war schließlich erst nach zehn Monaten im August 2019 zustande gekommen.

Auch die Kommunalwahlen Ende 2020 in Bosnien und Herzegowina waren eine besondere Herausforderung für das Land. Die ausgeprägte politische Dezentralisierung von Bosnien und Herzegowina gibt der Kommunalpolitik Kraft und Einfluss. Obwohl die politische und organisatorische Kraft und Erfahrung der traditionellen Parteien den politischen Wettbewerb stark einschränken, haben neue Bewerber Erfolge erreicht. Die erstmalig bei Wahlen antretende Platforma za progres (Plattform für Fortschritt) gewann Plätze in Gemeinderäten besonders in den Städten.

In Mostar fanden nach 12 Jahren Pause im Dezember 2020 wieder Kommunalwahlen statt. Die Wahlen wurden erst nach starkem Druck der internationalen Gemeinschaft und Gerichtsentscheidungen wieder möglich. Die Stadt erhielt nach vielen Jahren eine demokratische Stadtspitze, doch gleich nach der Wahl wurde die bekannte politische Auseinandersetzung zwischen den ethnopolitischer Parteien fortgesetzt.

Abspaltungsbestrebungen der Republik Srpska unter Dodik

Als besonderer Scharfmacher tue sich Ministerpräsident der Republik Srpska Miolrad Dodik hervor, der seit Jahren die gesamtstaatlichen Institutionen verächtlich mache und regelmäßig mit Abspaltung drohe, so die Politikwissenschaftlerin Martina Fischer in ihrem Konfliktporträt über Bosnien und Herzegowina.

Seit Herbst 2021 verstärkt Dodik den Druck in Richtung Abspaltung. Auch eine eigene Armee wolle er schaffen. International verfolgt man die Entwicklungen mit Sorge. Das kleine Land auf dem westlichen Balkan stehe vor seiner größten „existenziellen Bedrohung", so der Hohe Repräsentant für Bosnien und Herzegowina Christian Schmidt: Es drohe ein Ausenanderbrechen Bosniens, wenn die internationale Gemeinschaft die Abspaltungsversuche der bosnischen Serben nicht eindämme.

Im Dezember 2021 hat Dodik seine Drohung wahr gemacht. Das Parlament der serbischen Teilrepublik Srpska hat die Abspaltung von der Zentralregierung beschlossen. Bei einerAbstimmung erzielte der Vorschlag der Partei SNDS mit 49 Ja-Stimmen eine klare Mehrheit.. Geplant ist ein Rückzug aus der Armee, dem Justiz- und dem Steuersystem der Zentralregierung. Innerhalb von sechs Monaten soll der Austritt vollzogen werden. Die internationale Staatengemeinschaft ist besorgt und sieht die Gefahr eines neuen Bürgerkrieges auf dem Balkan.  Christian Schmidt rechnet jedoch  nicht mit einem neuen Bürgerkrieg: „Gefahr besteht nicht, weil alle Staaten drumherum, in der engen Nachbarschaft, in Europa und weltweit, in keiner Weise zulassen werden, dass hier ein heißer Konflikt entsteht", sagte er. Allerdings bestehe die Gefahr, dass die Zukunft von Bosnien und Herzegowina schwer beeinträchtigt werde und noch mehr junge Menschen das Land verlassen werden. Die Älteren in der Bevökerung sind kriegsmüde und noch traumatisiert von den erlebten Schrecken,  die Angst vor einem erneuten Krieg ist zu groß, und die Jüngeren wollen ebenfalls keinen Krieg, dies wäre noch ein  Grund mehr, das Land zu verlassen.

Stefan Goranovi´c von Euronews Serbia bewertet die Entwicklung als destabilisierend, glaubt jedoch nicht, dass es zeitnah zu einer Umsetzung der Abspaltung kommen wird: „Obwohl es sehr unwahrscheinlich ist, dass die angekündigten Änderungen in absehbarer Zeit auch umgesetzt werden, die derzeitige Rhetorik und die Maßnahmen der Republika Srpska könnten Bosnien in eine noch tiefere Krise stürzen."

Migration

Seitdem Länder wie Ungarn Grenzzäune hochgezogen haben, versuchen viele Geflüchtete und Migranten über Bosnien in die Europäische Union zu kommen. Tausende Geflüchtete und Migranten warten nur darauf, es sobald wie möglich in die EU zu schaffen. Die Situation von Flüchtlingen verschärfte sich dramatisch, also im Januar 2021 das Flüchtlingslager Lipa abbrannte. Rund 1000 Flüchtlinge mussten im eiskalten bosnischen Winter ausharren. Seit Herbst 2021 sorgen zudem Pushbacks ander kroatisch-bosnischen Grenze für negative Schlagzeilen.

Corona und Wirtschaft

Bosnien und Herzegowina erhofft sich weitere Fortschritte in der Annäherung an die EU und NATO. Seit 2017 verzeichnete das Land ein in kleinen Schritten wachsendes BIP und eine wachsende Beschäftigungsquote. Die Situation hat sich jedoch mit der COVID-19-Pandemie wieder gedreht, die einen enormen Einfluss auf die Politik und die Wirtschaft hat. Trotz der Ausbreitung des Virus, erfolgte kein Shutdown . Bosnien und Herzegowina ist ein sehr armes Land, viele Leute können es sich nicht leisten, nicht arbeiten zu gehen, weil es dafür auch keine oder fast keine Kompensationen finanzieller Art von den Behörden gibt.
Auch was Impfungen der Bevölkerung anbelangt, ist Bosnien und Herzegowina Schlusslicht unter den Ländern des Westbalkans. Die Menschen in Bosnien und Herzegowina sind frustriert und es kam zu Protesten. Der Vorwurf an die Politiker, sie würden sich lieber innenpolitischen Querelen hingeben, anstatt Impfstoff zu besorgen.  Im März 2021 lag der Sieben-Tage-Inzidenzwert teilweise bei über 1000. Inzwischen hat sich nach verschärften Einschränkungen die Lage etwas verbessert, Insgesamt gesehen gehen die Impfungen in der serbischen Republika Srpska etws besser voran als in der Föderation Bosnien und Herzegowina.

EU-Beitritt

Wie auch die anderen Staaten des Westlichen Balkans hat die EU Bosnien und Herzegowina die  Perspektive eines Beitritts zur Europäischen Union in Aussicht gestellt. Bereits seit dem Europäischen Rat von Portugal im Jahr  2000 wird das Land als „potenzieller Beitrittskandidat“ betrachtet.Um tatsächlich des Status eines Beitrittskandidaten zu erlangen, ist es jedoch noch ein langer Weg. Das Land müsste wichtige Reformen umsetzen, um sich der EU anzunähern.

Ausführliche Informatioenn über den Beitrittsprozess

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Verfassung – Vertrag von Dayton

Die Verfassung des Landes geht auf das Jahr 1995 zurück und ist im Friedensvertrag von Dayton festgehalten. Bosnien-Herzegowina ist gegenwärtig dezentral aufgebaut. Entsprechend der Formel "One State, two entities and three nations" hat der Vertrag von Dayton einen Bundesstaat mit zwei starken konstitutiven Landesteilen geschaffen: die muslimisch-kroatische Föderation von Bosnien und Herzegowina (FBiH) mit dem Zentrum Sarajewo und die serbische Republika Srpska (RS) mit der Hauptstadt Banja Luka.

Der Gesamtstaat ist zuständig für die Außenpolitik und den Außenhandel, die Zoll- und Währungspolitik, Migrationsfragen, internationale Strafverfolgung, Telekommunikation, Grenzschutz und Luftverkehrshoheit.

 

Staatspräsidium

Als Staatsoberhaupt fungiert ein Staatspräsidium, bestehend aus jeweils einem Vertreter der kroatischen Bosnier, der muslimischen Bosnier sowie der serbischen Bosnier. Dabei wird der bosnisch-serbische Kandidat auf dem Territorium der Republika Srpska, die beiden anderen auf dem Territorium der Föderation Bosnien und Herzegowina gewählt. Der Vorsitz rotiert alle 8 Monate. Die internationale Gemeinschaft hat zusätzlich 1995 das Amt des Hohen UN-Repräsentanten (OHR) eingeführt, um den Friedens– und Demokratisierungsprozess zu begleiten. Im Februar 2008 beschlossen Vertreter der EU, USA und Russlands, den Hohen Repräsentanten vorerst im Land zu lassen.

Parlament

Das Zwei-Kammer-Parlament gliedert sich in das Repräsentantenhaus und die Völkerkammer. Das Repräsentantenhaus besteht aus 42 Abgeordneten: 28 Abgeordnete werden in der Föderation Bosnien und Herzegowina, 14 in der Republika Srpska gewählt. Die Völkerkammer besteht aus 15 Abgeordneten -  je fünf Bosniaken, kroatische und serbische Bosnier -  und dient der Vertretung der sogenannten „vitalen Interessen" der Ethnien. Die Legislaturperiode dauert vier Jahre. Die beiden Entitäten verfügen zusätzlich über eigene Parlamente. Das Parlament der Republika Srpska hat 83 Sitze, das Abgeordnetenhaus der FBiH zählt 140 Mitglieder.

Bei den letzten Parlamentswahlen 2018 erlangten 14 Parteien bzw. Bündnisse Sitze im Abgeordnetenhaus. Die Wahlbeteiligung lag bei 54,02 Prozent. Aufgrund des komplexen Wahlrechts  wurde erst im  Dezember 2019 eine neue Regierung mit den Koalitionspartnern SDA, SNSD, SBB, HDZ und DF im Parlament bestätigt.

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Quellen

Munzinger Online

Auswärtiges Amt: Bosnien und Herzegowina


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