Geschichte des Kosovo

im Spannungsfeld des Serbien-Kosovo-Konflikts


Weitere Informationen zum Kosovokrieg und den anderen Jugoslawienkriegen auf dem Balkan.


Im Jahr 2008, neun Jahre nach dem Kosovo-Krieg, hat sich die südserbische Provinz am 17. Februar für unabhängig erklärt. "Wir, die demokratisch gewählten Führer unseres Volkes, erklären das Kosovo mit dieser Deklaration zu einem unabhängigen und souveränen Staat", sagte Ministerpräsident Hashim Thaci. In der Unabhängigkeitserklärung verpflichtet sich der neue Staat dem "Frieden" und der "Stabilität".

Die vom Kosovo einseitig erklärte Unabhängigkeit von Serbien ist nach einer Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag rechtens. Dennoch erkennen einige Staaten, darunter fünf Mitgliedstaaten der EU, den Kosovo nicht als Staat an.

Im Folgenden ein Blick auf die wechselvolle Geschichte sowie die aktuelle Situation.

Wechselnde Zugehörigkeit

Das Gebiet des heutigen Kosovo war zunächst Teil des Römischen, dann des Byzantinischen Reichs. Dazwischen lagen relativ kurze Phasen der Zugehörigkeit zu südslawischen Staaten, etwa dem mittelalterlichen Serbien. Im 14. Jahrhundert eroberten die Osmanen den Zentralbalkan. Danach wurde Kosovo gleichzeitig von den Osmanen und dem serbischen Adel verwaltet. Erst Mitte des 15. Jahrhunderts kam die Region endgültig unter osmanische Verwaltung.

Im 19. Jahrhundert fiel es den osmanischen Behörden zusehends schwerer, sich als Machthaber durchzusetzen. Die christlich-orthodoxe Bevölkerung sah ihre Zukunft im neu gegründeten Staat Serbien. 1912, während des Ersten Balkankrieges, eroberten serbische und montenegrinische Truppen Kosovo. Nach dem Ersten Weltkrieg gehörte Kosovo zum neugegründeten "Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen" (SHS), obwohl schon damals nur ein Drittel der Bevölkerung im Kosovo Serbinnen und Serben und die große Mehrheit Albanerinnen und Albaner waren. Die serbisch dominierte Regierung beabsichtigte, die albanische Bevölkerung zu assimilieren und siedelte serbische Familien in der Region an. Im Zweiten Weltkrieg wurde der überwiegende Teil Kosovos Albanien zugesprochen, damals ein Satellitenstaat Italiens. Die Machtverhältnisse kehrten sich um: Den Albanerinnen und Albanern wurden weitreichende Selbstverwaltungsrechte zugestanden, die Serbinnen und Serben gewaltsam vertrieben.
(Quelle: Adelheid Wölfli | CC BY-NC-ND 3.0 DE | bpb.de)

„Autonomes Gebiet" innerhalb der Teilrepublik Serbien

Im neuen föderalistisch organisierten, kommunistischen Jugoslawien bekam Kosovo ab 1945 den Status eines "autonomen Gebiets" innerhalb der Teilrepublik Serbien. Serbinnen und Serben innerhalb des Kosovo wurden im Staatsapparat jedoch bevorzugt. Im Jahr 1968 kam es zu Unruhen der albanischen Bevölkerung. In der Verfassung von 1974 erhielt Kosovo dann den Status einer "autonomen Provinz" und wurde dadurch rechtlich den sechs Teilrepubliken fast gleichgestellt.

Es folgte eine Phase der Modernisierung – Straßen, Schulen, Amtsgebäude, Sportanlagen und Fabriken wurden gebaut. Albanerinnen und Albaner blieben jedoch bis in die 1970er Jahre in höheren Bildungseinrichtungen und anderen Institutionen unterrepräsentiert. 1981 forderten Studenten erneut den Republik-Status für Kosovo. Die Regierung schlug die Unruhen mit Gewalt nieder. 1988 rückte die serbische Sonderpolizei im Kosovo ein, und die kosovo-albanische Parteiführung trat zurück. Hunderttausende Menschen protestierten gegen die Unterwerfung der Parteikader durch den serbischen Präsidenten Slobodan Milošević. Die Autonomie der Provinz wurde schrittweise eingeschränkt und schließlich auch formal aufgehoben.
(Quelle: Adelheid Wölfli | CC BY-NC-ND 3.0 DE | bpb.de)

Unabhängigkeitserklärung 1991

1989 hat die Provinz starke Einschränkungen ihrer Autonomierechte hinnehmen müssen. Das Parlament wurde geschlossen, der Autonomiestatus durch das serbische Parlament aufgelöst, forciert vor allem durch Slobodan Miloševic. Im September 1990 proklamierten 111 Abgeordnete der Kosovo-Albaner heimlich die Verfassung der Republik Kosovo. Ein Jahr später folgte die Unabhängigkeitserklärung, die per Volksabstimmung bestätigt wurde.

Im Mai 1992 wurden Präsidentschafts- und Parlamentswahlen durchgeführt, die jedoch nur durch Albanien anerkannt wurden. Serbien weigerte sich die Republik Kosovo anzuerkennen. 1993 wurde die Befreiungsarmee des Kosovo (UCK) gegründet, die sich im weiteren Verlauf der 1990er Jahre Kämpfe mit der serbischen Polizei lieferte.

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Kosovokrieg 1998/99

1998 eskalierte die Situation zwischen Serbien und der Republik Kosovo und der Kosovokrieg begann. Es häuften sich Meldungen darüber, dass serbische Einheiten bei ihren Offensiven gegen die Kosovaren und deren Autonomie-Bestrebungen massive Menschenrechtsverletzungen begingen. Die Vermittlungsversuche durch internationale Akteure (VN, OSZE, NATO) blieben weitgehend erfolglos. Nachdem die jugoslawische Regierung ein Ultimatum der NATO über die Stationierung einer von der NATO angeführten Truppe im Kosovo abgelehnt hatte, begann die NATO im März 1999 einen Luftkrieg.

Am 10. Juni 1999 lenkte Jugoslawien ein und zog sich aus dem Kosovo zurück. Der UN-Sicherheitsrat beschloss daraufhin in der Resolution 1244 einerseits die provisorische Verwaltung des Kosovo durch die sogenannte United Nations Interim Administration Mission in Kosovo (UNMIK). Diese verabschiedete 2001 einen verfassungsrechtlichen Rahmen für das Kosovo. Zum anderen regelte die Resolution 1244 den Einsatz der NATO-Sicherheitstruppe Kosovo Force (KFOR). Der Einsatz hatte das Ziel, den Abzug der jugoslawischen Truppen und die Entmilitarisierung des Kosovo zu überwachen.


Weitere Informationen zum Kosovokrieg 1998-1999


Die umstrittene Unabhängigkeit 2008

Die Verhandlungen über den Status der Provinz verliefen ohne Ergebnis. Serbien hielt stets mit der Unterstützung Russlands an der Zugehörigkeit des Kosovos zu Serbien fest. Von den rund zwei Millionen Einwohnern des Kosovo sind 92 Prozent albanischer Abstammung und gut 1,5 Prozent sind Serben (Stand CIA Factbook Juli 2017). Die Zahl der Serben hat nach dem Kosovo-Krieg 1999 stark abgenommen.

Die Serben im Kosovo wehrten sich gegen die Unabhängigkeit ihres Gebietes von Serbien. 1999 und im März 2004 kam es zu pogromartigen Ausschreitungen von Albanern gegen die serbische Minderheit und die Roma im Kosovo. Allein bei den Unruhen 2004 starben 19 Menschen.

Am 17. Februar 2008 verkündete das Parlament Kosovs seine Unabhängigkeit von der Provinz Serbien. Per Beifall stimmten die Abgeordneten auf einer Sondersitzung in der kosovarischen Hauptstadt Pristina der Unabhängigkeitserklärung zu. In dieser Erklärung verpflichtet sich der neue Staat dem „Frieden" und der „Stabilität". Serbien erkennt die Republik Kosovo bis heute nicht an.

Wer ist für die Unabhängigkeit, wer dagegen?

Bis zur echten Selbständigkeit ist es bis heute noch ein weiter Weg. Die serbische Regierung hat mehrfach erklärt, auf keinen Fall seine Provinz abtreten zu wollen, die eine tausendjährige serbische Geschichte teilt. Russland verurteilt die Unabhängigkeitserklärung ebenfalls.

Die USA dagegen erkannten am 18. Februar 2008 als erstes Land offiziell das Kosovo als unabhängigen Staat an. Zwei Tage später beschloss auch die Bundesregierung Deutschlands die völkerrechtliche Anerkennung des unabhängigen Staates Kosovo.

Bisher haben über 111 Länder der 193 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen (UN) das Kosovo anerkannt, darunter die meisten EU Länder. Doch viele Staaten der Erde, unter ihnen Russland und China sowie die EU Staaten Spanien, Griechenland, Slowakei und Rumänien betrachten das Kosovo offiziell immer noch als serbische Provinz. Aufgrund der Ablehnung durch viele nichtwestliche Staaten ist das Kosovo bisher kein Mitglied der UN geworden. Im Jahr 2012 kam es auf Initiative der EU zu einem Abkommen zwischen dem Kosovo und Serbien, das die Spannungen zwischen beiden Ländern etwas verminderte und unter anderem Regelungen zur Reisefreiheit und der Verwaltung der Grenze beinhaltete.

Am 22. Juli 2010 erkannte auch der Internationale Gerichtshof in Den Haag die Unabhängigkeit des Kosovo von Serbien als rechtens an.

Militär im Kosovo

Im März 2014 gab der Ministerpräsident des Kosovo bekannt, dass das Land die Einführung einer eigenen Armee in einer Stärke von 5000 aktiven Soldaten und 3000 Reservisten plant. Ziel der Vergrößerung sollte sein, die Standards einer NATO-Armee anzustreben. Bisher hatte das Kosovo nur 2500 Sicherheitskräfte, die dem Kommando der internationalen Truppen der KFOR unterstanden.

Die KFOR hat die Aufgabe, den immer noch instabilen Friedensprozess im Kosovo auch in den kommenden Jahren zu sichern. Das Mandat für den Einsatz der deutschen Einsatzkräfte wurde zuletzt im Sommer 2017 verlängert. Aufgrund der stabilen Lage im Kosovo konnte die Truppenstärke um 550 auf insgesamt 800 Soldatinnen und Soldaten beschränkt werden. Ein Abzug der Truppen steht außer Frage, da die internationale Truppenpräsenz KFOR weiter erforderlich ist um das Umfeld zu stabilisieren. Zudem sichert KFOR als militärische Komponente die zivile Rechtsstaatsmission Eulex ab. Sie wurde 2008 ins Leben gerufen. Eulex unterstützt die Regierung des Kosovo beim Aufbau von rechtsstaatlichen Strukturen. Auch die deutsche Entwicklungszusammenarbeit im Kosovo unterstützt den sozialen und wirtschaftlichen Aufbau des Landes.
 

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Annäherung an die EU

Das Land wird seit Jahren als „potentieller Beitrittskandidat" der EU eingestuft, obwohl es lange Zeit keinen offiziellen Antrag auf EU-Beitritt gestellt hatte. Erst im Dezember 2022 hat das Land ein Beitrittsgesuch eingereicht.

Die EU hatte dem Land bereits nach seiner Unabhängigkeitserklärung im Jahre 2008 die  Perspektive eines Beitritts zur Europäischen Union in Aussicht gestellt. Ebenso wie den übrigen Staaten des westlichen Balkan würde Kosovo eine klare europäische Perspektive offenstehen, so der Europäische Rat. Die Geschwindigkeit des Annäherungsprozesses hängt dabei maßgeblich von den Fortschritten ab, die Kosovo insbesondere im Bereich Rechtsstaatlichkeit, bei der Stärkung von Verwaltungsstrukturen und beim Aufbau einer funktionsfähigen Marktwirtschaft erzielt.

Im 2018 beschloss die EU-Kommission eine neue Westbalkan-Strategie. Dadurch soll den Ländern des westlichen Balkans der Beitritt zur EU gewährt werden. Für den Kosovo bedeutet die Westbalkan-Strategie auch den Versuch, unter EU-Vermittlung die zwischenstaatlichen Beziehungen mit Serbien zu normalisieren. Leider sind die Länder von einer Normalisierung der Beziehungen jedoch noch weit entfernt. Und somit auch von einer Perspektive zum EU-Beitritt, welcher gute Beziehungen voraussetzt.


 mehr zum aktuellen Stand im EU-Beitrittsprozess


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Serbien-Kosovo-Konflikt - aktuelle Lage

Seit vielen Jahren schwelt der Konflikt zwischen Serbien und dem Kosovo. Die Frage um die Zugehörigkeit des Kosovo reicht weit in die Geschichte zurück und birgt auch heute noch erhebliches Konfliktpotential und verhindert einen konstruktiven Dialog der Parteien:  „Schwierig ist es nicht nur, die Serben und die Kosovo-Albaner an den Verhandlungstisch zu bringen. Sitzen sie erstmal dort, haben die unversöhnlichen Gegner kaum Ansätze für einen Gesprächsverlauf, der für beide Seiten akzeptabel ist”, so SüdosteuropaexperteD enis Drobyshev. Die Kosovo-Albaner treten kompromisslos für die Unabhängigkeit des Kosovo ein, dagegen bestehe die serbische Führung darauf, dass das Kosovo immer noch ein Teil Serbiens sei und es auch bleiben solle.

Auch nach der Unabhängigkeitserklärung Kosovos im Jahre 2008, erkennt Serbien das Land nicht als eigenständig an.  2011 hat die EU deshalb einen moderierten Serbien-Kosovo-Dialog  eingeführt. Ziel des Dialogs ist die umfassende Normalisierung der Beziehung in Form eines abschließenden und rechtlich bindenden Abkommens, das im Einklang mit dem Völkerrecht steht und zur regionalen Stabilität beiträgt. Die Verhandlungen waren jedoch nur wenig erfolgreich. Immer wieder flammten Streitigkeiten und Konflikte auf, über die Jahre gerieten die Verhandlungen mehrmals ins Stocken und wurden auf Eis gelegt.

Auch kam es in den letzten Jahren immer wieder zu, teils gewaltvollen, Auseinandersetzungen zwischen Serbien und dem Kosovo.  Wie weit die Spannungen gehen,  verdeutlichte auch das 2018 begangene Attentat auf einen der wichtigsten serbischen Politiker im Kosovo Oliver Ivanovic. Er wurde vor seiner Parteizentrale in der nördlichen Stadt Mitrovica erschossen. Die Kosovo-Regierung verurteilte den Mord und betitelte ihn als „Anschlag auf den Rechtsstaat und die Anstrengungen, rechtsstaatliche Verhältnisse im gesamten Kosovo zu etablieren." Das Attentat führte abermals zur Beilegung der zwischenstaatlichen Verhandlungen.

Der Dialog wird insbesondere auch erschwert, da Serbien nach wie vor nicht bereit ist, die Unabhängigkeit des Kosovo anzuerkennen. Auf die Besorgnis der EU über  „eine regelrechte Kampagne [in Serbien], mit der die Unabhängigkeit des Kosovo delegitimiert“ werden solle, erwiderte Serbiens Präsident Alexandar Vucic, dies sei etwas, auf das er stolz sei: er werde weiterhin die Unabhängigkeit des Kosovo delegitimieren.  Er werde niemals eine Anerkennung der Unabhängigkeit des Kosovo unterschreiben – egal wie viel Druck auf ihn ausgeübt werde, wenn der Kosovo-Dialog wieder aufgenommen wird, betonte Vucic im Mai 2021, Er kritisierte weiter, die kosovarische Führung würde sich nicht an die Verpflichtungen halten, die sie im Rahmen des Belgrad-Pristina-Dialogs eingegangen sei.

Auch bei der jüngsten Wiederaufnahme der Gespräche im Sommer 2021 konnten  keine Fortschritte im Dialog erzielt werden. Das Scheitern liege daran, dass die Vertreter des Kosovo alle Vorschläge der EU ablehnten, meinte der serbische Präsident Aleksandar Vucic.  Er sei „besonders besorgt“, dass sich die kosovarische Seite weigere, „sich zu verpflichten, gewisse Handlungen zu unterlassen, die die Lage vor Ort destabilisieren könnten“. Der kosovarische Premier Albin Kurti teilte hingegen mit, man habe einen eigenen Friedensplan sowie „Beweise für elf Verstöße Serbiens gegen das Kosovo in Form von Beschränkungen für den freien Handel“ vorgelegt. Die serbische Seite habe dies alles zurückgewiesen.

Immer wieder kommt es zu erneuten Eskalationen im Konflikt der beiden Balkan-Staaten. So etwa 2021 im Streit um Autokennzeichen, wodurch eine Verbesserung der Beziehungen abermals in die Ferne rückte. Zeitweilig kam es sogar zu einem militärischem Aufrüsten im Grenzgebiet. Auslöser war eine von der kosovarischen Regierung neu erlassene Verordnung, die künftig verbietet, Kfz-Kennzeichen aus Serbien im Kosovo zu verwenden. Serben müssen bei Grenzübertritt provisorische kosovarische Kennzeichen anbringen, die 60 Tage gültig sind, hieß es. Betroffen waren davon mehrere Tausend Auto- und Lastwagenfahrer, die in der serbischen Enklave im Norden des Kosovo leben. Allerdings praktiziert Serbien umgekehrt das Verbot kosovarischer Kennzeichen bereits seit 2008, der Schritt spiegle also nur die Maßnahmen Serbiens wieder, erklärte die kosovarische Regierung. Als Reaktion auf diese neue Verordnung blockierten Lastwagenfahrer zwei Hauptstraßen an den Grenzübergängen. Kosovo wiederum stationierte Spezialeinheiten der Polizei in der Grenzregion, woraufhin Serbien Militärfahrzeuge an die Grenze verlegte und die Alarmbereitschaft seiner Truppen erhöhte. Auch kam es zu Angriffen auf kosovarische Behörden wie etwa auf die Kfz-Zulassungsstelle, die in Brand gesetzt wurde. In Reaktion auf die Eskalation verstärkte die dort stationierte  NATO Kosovo-Truppe KAFORihre Patrouillen im Grenzgebiet. Der Streit wurde zwischenzeitlich beigelegt. Eine EU-Arbeitsgruppe wurde beauftragt, eine dauerhafte Lösung zu erarbeiten. Beide Seiten einigten sich im November 2022 im Streit um Autokennzeichen unter Vermittlung der EU auf einen Kompromiss..  Nach Angaben des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell werde Serbien aufhören, Nummernschilder mit Bezug auf kosovarische Städte zu vergeben. Umgekehrt werde demnach der Kosovo keine weiteren Maßnahmen im Zusammenhang mit der Ummeldung von Fahrzeugen mit alten serbischen Kennzeichen ergreifen. Nahezu alle im Norden des Kosovo lebenden ethnischen Serben nutzen in Serbien ausgestellte Kfz-Kennzeichen aus der Zeit, als die Region noch zu Serbien gehörte.

Neben den Streitigkeiten um Autokennzeichen war es im Sommer 2022 zudem abermals zu Grenzstreitigkeiten um Ausweispapiere gekommen. Gemäß neu verhängten Regelungen des Kosovo sollten Serben ohne ein kosovarisches Zusatzpapier zu ihrem serbischen Ausweis nicht mehr einreisen dürfen. In Reaktion darauf hatten wiederum serbische Einwohner des Kosovo vorübergehend grenznah Straßenblockaden errichtet. Beide Länder gaben sich gegenseitig die Schuld an der erneuten Eskalation, bei der es abermals um grundlegende Fragen der gegenseitigen Anerkennung ging. Mittlerweile wurde auch dieser Streit um die Einreiseregelungen beigelegt und ein Deal ausgehandelt, so der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. Serbien habe zugestimmt, Kosovaren ohne weitere Dokumente einreisen zu lassen. Im Gegenzug habe das Kosovo den Plan fallengelassen, die Einreise von serbischen Staatsbürgern zu erschweren.

Nachdem es der EU jüngst erst gelungen war, im Streit um Autokennzeichen zwischen Serbien und dem Kosovo zu vermitteln, haben im Norden des Kosovo die Spannungen Anfang Dezember 2022 jedoch erneut wieder zugenommen. Es kam es zuAusschreitungen und Schusswechselnzwischen der kosovarischen Polizei und der im Norden lebenden serbischen Minderheit. Serbische Demonstranten blockierten die Hauptverkehrsstraßen mit Barrikaden. EU-Außenbeauftragter Josep Borrell warnte beide Seiten vor einer Eskalation. Die EU-Mission Eulex, die mit der Überwachung des Nordkosovo beauftragt ist, teilte mit, eine Blendgranate sei auf eines ihrer gepanzerten Fahrzeuge geworfen worden. „Die EU wird keine Angriffe auf Eulex oder gewaltsame, kriminelle Handlungen im Norden dulden”, warnte Borrell. Die Barrikaden müssten sofort von Gruppen von Kosovo-Serben entfernt werden. Die Ruhe müsse wiederhergestellt werden.”

Serbiens Präsident Aleksandar Vučić hatte seinerseits angekündigt, bei der NATO KFOR Truppe formal die Entsendung von 1000 serbischen Soldaten in den Kosovozu beantragen, „um den Frieden zu wahren". Dabei beruft er sich auf die Resolution 1244 des UN-Sicherheitsrates vom Juni 1999, welcher Serbien grundsätzlich das Recht zuspricht, nach Kriegsende eine kleine Zahl Polizisten und Soldaten in den Kosovo zu entsenden. Die NATO-Schutztruppe KFOR erteilte Serbien jedoch für eine aktuelle Entsendung keine Genehmigung.

Ende Dezember verschärften sich die Spannungen in der Region zunächst weiter, nachdem Serbien die Armee in höchste Alarmbereitschaft versetzt und  Kosovo daraufhin den größten Grenzübergang geschlossen hatte. Die Situation erfordere „die Präsenz der serbischen Armee entlang der Verwaltungslinie”, so Serbiens Armeechef Mojsilovic. Staatschef Vučić habe angeordnet, die Präsenz der serbischen Streitkräfte von bisher 1.500 Soldaten auf 5.000 zu erhöhen. Mit dem Begriff „Verwaltungslinie” bezeichnen die serbischen Behörden die Grenze zum Kosovo.

Zum Jahresende 2022 schien etwas Entspannung in Sicht. Zumindest zeichnete sich eine Lösung ab, was die von Serben errichteten Straßenblockaden im Nordkosovo anbelangt. Serbiens Präsident Vucic ließ die  Straßensperren abbauen. Daraufhin hat Kosovo den wichtigsten Grenzübergang nach Serbien wieder geöffnet. Doch bereits zu Beginn des neuen Jahres verschärfte ein weiterer Vorfall abermals den Konflikt. Ein Soldat hatte im Nordkosovo aus einem fahrenden Wagen zwei Serben mit Schüssen verwundet. Daraufhin blockierten Serben erneut eine Hauptverkehrsroute im Kosovo.  Ministerpräsident Albin Kurti verurteile den Angriff auf Schärfste. Der Soldat wurde festgenommen.

Der serbische Außenminister Ivica Dacic erklärte Anfang Januar 2023, dass Serbien sich dafür einsetze, einen Kompromiss mit dem Kosovo zu finden. Allerdings nannte er drei rote Linien, die Belgrad in Bezug auf den Kosovo habe. Er betonte, dass die Anerkennung der Unabhängigkeit des Kosovos eine rote Linie darstellen würde. Auch die Mitgliedschaft in der UNO könne Belgrad nicht akzeptieren. Als Letztes sei noch die Sicherheit der Serben und Serbinnen im Kosovo eine rote Linie.

Ende Januar ließ Serbiens Präsident Vucic in der Frage um eine Anerkennung des Kosovo etwas andere Töne verlauten. Demnach könnte er doch bereit sein, sich einem Kompromiss anzunähern. Vucic deutete an, dass er den im Herbst 2022 eingebrachten deutsch-französischen Plan für die Normalisierung des Verhältnisses zum Kosovoeventuell doch annehmen könnte. „Wenn die Wahl darin besteht, dass wir Sanktionen bekommen – und was wäre eine schlimmere Sanktion als der Abzug von Investitionen – oder dass wir auf der anderen Seite alles und sofort akzeptieren, was die UNO-Mitgliedschaft des Kosovos bedeutet, dann bin ich für den Weg des Kompromisses, wie umstritten er auch sein mag”, erklärte Vucic.

Im Frühjahr zeichnet sich nach Spannungen in Folge der Kommunalwahlen am 23. April 2023 jedoch erneut eine Eskalation der Situation ab. Die Wahlen waren von der im Norden mehrheitlich ethnisch-serbischen Bevölkerung größtenteils boykottiert worden. Dadurch wurden Kosovo-Albaner mit nur wenigen Stimmen zu Bürgermeistern gewählt wurden, was für Unmut unter den dort lebenden Serben sorgte. Spezialkräfte der kosovarischen Polizei und die KFOR mussten die neugewählten Bürgermeister vor serbischen Demonstranten schützen. Ende Mai 2023 eskalierte die Situation weiter und führte zu gewalttätigen Ausschreitungen. Laut KFOR-Angaben erlitten 30 Soldaten aus Ungarn und Italien Verletzungen, darunter Knochenbrüche und Verbrennungen. Die KFOR habe auf die unprovozierten Angriffe einer gewalttätigen und gefährlichen Menge reagiert, hieß es in einer Erklärung der Schutztruppe. Auch auf serbischer Seite gab es Dutzende Verletzte, laut dem Krankenhaus in der nahen Stadt Mitrovica wurden 53 Serben behandelt. Die EU verurteilte die Ausschreitungen scharf: „Gewalttaten gegen Bürger, gegen Medien, gegen Strafverfolgungsbehörden und die KFOR-Truppen sind absolut inakzeptabel", sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. Beide Parteien müssten unverzüglich alles dafür tun, um zu deeskalieren und wieder für Ruhe zu sorgen. „Wir haben schon jetzt zu viel Gewalt in Europa. Wir können uns keinen weiteren Konflikt leisten", so Borrell. Als Reaktion auf die jüngsten Zusammenstöße hat die NATO beschlossen, die KFOR-Truppe um 700 Soldaten aufzustocken.

Ein Vorfall um drei kosovarische Polizisten heizte den Konflikt im Juni 2023 weiter an, woraufhin die kosovarische Regierung die Grenzen teilweise dicht machte.

Im September 2023 war es erneut zu Auseinanandersetzungen gekommen.  An der Grenze zu Serbien hatten 30 bewaffnete und maskierte Männer ein kosovarisches Dorf angegriffen, woraufhin Kosovo das Nachbarland beschuldigte, die Attacke geplant und unterstützt zu haben. Aktuell wirft die kosovarische Regierung der serbischen Armee vor, Militär und Polizeieinheiten entlang der Grenze zum Kosovo verlegt zu haben. Serbien bereite eine Aggression vor, so die Befürchtung.  Auch die USA beobachteten eine neuerliche große Militärpräsenz Serbiens an den Grenzen zum Kosovo und forderten die serbische Regierung auf, ihre dort stationierten Truppen abzuziehen. „Eine noch nie dagewesene Stationierung von serbischer Artillerie, Panzern und mechanisierten Infanterieeinheiten” führe zu einer „sehr destabilisierenden” Entwicklung. Serbiens Präsident Aleksandar Vučić dementierte, dass sein Land ein militärisches Vorgehen plane. Er werde den Befehl zum Rückzug serbischer Truppen geben, da eine Eskalation „kontraproduktiv” für die Bemühungen seines Landes wäre, EU-Mitglied zu werden. Serbien wolle keinen Krieg. Die kosovarische Außenministerin Donika Gervalla-Schwarz warnt vor einem neuen Krieg auf dem Balkan: „Toleriert die internationale Gemeinschaft das Vorgehen Serbiens, wird es einen Krieg geben”, so die Ministerin.


mehr über den Konflikt um den Kosovo, die Friedensbemühungen und Herausforderungen


 

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Quellen & Links

Bundeszentrale für politische Bildung: Kosovo
Tagesschau-Beitrag vom 22. Februar 2008: Kosovo: Unabhängig – lebensfähig?
Bundeswehr: Einsatz im Kosovo KFOR
Außenministerium des Kosovo: Homepage
Auswärtiges Amt: EU-Perspektive für den Kosovo
Euro|topics-Archiv: Kosovo – ein Überblick über die Geschichte
Publikation der LpB: Was tun im Kosovo-Konflikt? (S.51-67)
Publikation der LpB: Politik und Unterricht/ Der Zerfall Jugoslawiens/ 3|97 

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