Das EU-Beitrittsverfahren - Fahrplan

Kurz & knapp

Wer kann einen Antrag auf EU-Mitgliedschaft stellen?
Jeder europäische Staat, der die Werte  der EU achtet und fördert, kann einen Antrag auf Mitgliedschaft stellen. Diese Werte sind im wesentlichen die Achtung der Menschenwürde, Demokratie, Freiheit, Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit (  nach Art. 2 EUV).

Wie läuft das Verfahren ab?
Das Beitrittsverfahren folgt einem genauen „Fahrplan“ und regelt die Aufnahme neuer Mitglieder in die Europäische Union. Es umfasst die drei Phasen Antragstellung, Verhandlung und Ratifizierung (nach Art. 49 EUV) .

Wie lange dauert es bis zum EU-Beitritt?
Der Weg in die EU ist oftmals ein sehr langer und umfasst viele Jahre, manchmal Jahrzehnte, an Verhandlungen und Reformanstrengungen.

Welche Begingungen muss ein Land erfüllen?
Erst wenn ein Land die sogenannten „Kopenhagener Kriterien“ erfüllt, kann es in die EU aufgenommen werden. Die dort formulierten Reformziele: Institutionelle Stabilität, Aufrechterhaltung der demokratischen Ordnung, eine funktionsfähige Marktwirtschaft, die Fähigkeit, den Verpflichtungen einer Mitgliedschaft in der EU nachzukommen. Dazu kommt noch das Kriterium der Aufnahmefähigkeit der EU selbst.

 

 

Prinzipiell kann also jedes europäische Länd der Europäischen Union beitreten. Der Zeitraum zwischen Antragstellung und tatsächlicher Aufnahme in die EU umfasst jedoch meist viele Jahre, nicht selten mehr als ein Jahrzehnt. Hat ein Land es geschafft, den offiziellen Status eines Beitrittskandidaten, eines Bewerberlandes zu erlangen, gehen daraufhin oftmals weitere Jahre ins Land, bis tatsächlich der Startschuss für die Beitrittsverhandlungen erfolgt. Und erst danach beginnt der eigentliche Verhandlungsmarathon, der sich wiederum oft über viele Jahre erstreckt.

Nur in seltenen Fällen nimmt der gesamte Beitrittsprozess nur wenige Jahre in Anspruch. So wurde Finnland bereits drei Jahre nach Antragstellung in die EU aufgenommen. Die Türkei hingegen liefert ein Beispiel für den langwierigsten Prozess. Vor mehr als zwei Jahrzehnten hat das Land den Antrag zum EU-Beitritt gestellt, und noch immer ist kein Ende der Verhandlungen abzusehen. Vielmehr wurden die Gespräche auf Eis gelegt und ein EU-Beitritt im Sinne einer Vollmitgliedschaft scheint derzeit kaum mehr möglich.

Nach der großen Welle der Osterweiterung 2004 drosselte die EU zunächst das Tempo was weitere Aufnahmen anbelangt. Nach den schlechten Erfahrungen mit den jüngst hinzu gekommenen Ländern Bulgarien und Rumänien, deren politische Standards noch immer unter den EU-Vorgaben liegen, möchte die EU-Kommission künftig die Reformbemühungen der Kandidaten genauer unter die Lupe nehmen. EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker hatte in seinen politischen Leitlinien 2014 verkündet, dass es vorerst keine weiteren Erweiterungen mehr geben würde: "Die EU muss bei der Erweiterung eine Pause einlegen, damit wir konsolidieren können, was die 28 Mitgliedstaaten erreicht haben."

In jüngster Zeit nahm die Bereitschaft, eine zukünftige Erweiterungsrunde anzugehen wieder etwas zu. Die Europäische Kommission hat in einer Mitteilung im Februar 2020 über die  „Stärkung des Beitrittsprozesses – Eine glaubwürdige EU-Perspektive für den westlichen Balkan“ konkrete Vorschläge zur Stärkung des Beitrittsprozesses gemacht.. Der Prozess müsse berechenbarer, glaubwürdiger und dynamischer gestaltet und einer stärkeren politischen Steuerung unterworfen werden.


Was spricht grundsätzlich für, was gegen zukünftige EU-Erweiterungen?

Pro und Contra-Argumente


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Die einzelnen Phasen des Beitrittsverfahrens

Von der Antragstellung zum Kandidatenstatus


Strebt ein Land die Mitgliedschaft in der EU an, muss es zunächst einen Beitrittsantrag stellen. Dieser ist an den Rat der Europäischen Union zu richten. Daraufhin erfolgt eine Prüfung des Beitrittsantrages durch die Europäische Kommission. In einer Stellungnahme („Avis“) spricht die Kommission Empfehlungen für weitere Annäherungsschritte aus. Diese enthalten entweder die Befürwortung zur Verleihung des Kandidatenstatus oder Vorgaben („Benchmarks“), die das Land zunächst noch erfüllen muss.

Eventuell kann sich die Kommission auch zusätzlich schon für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit dem Bewerberstaat aussprechen. Meist ergeht diese Empfehlung jedoch zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Nun muss der Rat der Europäischen Union darüber entscheiden – auf der Grundlage der Stellungnahme – ob er dem beitrittswilligen Land tatsächlich den Kandidatenstatus verleiht. Die Zustimmung muss einstimmig erfolgen. Von der Antragstellung bis zur Verleihung des Kandidatenstatus vergehen manchmal ein paar Jahre.

Vom Kandidatenstatus zum Beginn der Beitrittsverhandlungen


Hat ein Land den Kandidatenstatus erreicht, überwacht die Europäische Kommission die Reformfortschritte des Landes und hält diese in jährlichen Fortschrittsberichten fest. Sind erste ausreichende Fortschritte erzielt, wird die Europäische Kommission Empfehlungen für die  Eröffnung der eigentlichen Beitrittsverhandlungen aussprechen. Auch hierüber muss der Rat der EU ein einstimmiges Votum erteilen. Lief die Abstimmung erfolgreich ab, erteilt der Rat der EU der Europäischen Kommission ein Mandat zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen.  Legen einzelne Mitgliedstaaten ein Veto und sprechen sich gegen die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen aus  – wie beispielsweise jüngst Bulgarien bezüglich Nordmazedoniens – verzögert sich die Aufnahme von Verhandlungen weiterhin. Also auch in dieser Phase des Beitrittsprozesses können mehrere Jahre verstreichen.

Die Beitrittsverhandlungen


Grundsätzlich ist in dieser Phasen vorgesehen, alle Bereiche zu verhandeln, die für eine zukünftige Mitgliedschaft eine Rolle spielen, so etwa Wirtschaftspolitik, Außenpolitik, Rechtsstaatlichkeit und einige mehr. Ziel ist die Übernahme des gemeinschaftlichen Besitzstandes der EU, der sogenannte „Acquis »,  durch das jeweilige Kandidatenland. Der Acquis wird für die Verhandlungen in 35 thematische Kapitel unterteilt.
Die Verhandlungen finden faktisch auf zwei Ebenen statt. Im Rat der EU legen die Mitgliedsstaaten den Verhandlungsrahmen fest. Die Verhandlungen werden zwischen der Kommission und der Regierung des Kandidatenstaates geführt. In  sogenannten „Beitrittskonferenzen“ wird über Öffnungen und Schließungen von einzelnen Verhandlungskapiteln beschlossen, nach einstimmiger Zustimmung aller Mitgliedstaaten.

Für jedes einzelne Kapitel bedarf es den Beschluss zur Öffnung sowie am Ende den Beschluss zur erfolgreichen Schließung. Werden keine Fortschritte erzielt oder gar Rückschritte, können die einzelnen Kapitel auch suspendiert werden – wie vielfach im Fall der Türkei geschehen. Auch die Verhandlungen insgesamt können ausgesetzt werden. Eine seit 2004 existierende „Suspensions-Klausel“ sieht die Aussetzung von Beitrittsverhandlungen vor, im Falle schwerwiegender und anhaltender Verletzungen der Grundwerte der EU: Freiheit, Demokratie, Wahrung der Menschenrechte und der Grundfreiheiten sowie Rechtstaatlichkeit.

Der Beitrittsvertrag


Sind die Beitrittsverhandlungen abgeschlossen und alle Kapitel erfolgreich geschlossen, wird ein Beitrittsvertrag entworfen, der die Ergebnisse der Verhandlungen enthält (d.h. etwaige Übergangsfristen und Schutzklauseln, Bestimmungen über notwendige Anpassungen der EU-Institutionen und Verträge und das voraussichtliche Beitrittsdatum).

Der Beitrittsvertrag bedarf anschließend noch der Billigung durch den Rat der EU, die Europäische Kommission sowie das Europäische Parlament.

Mit der Unterzeichnung des Vertrages erhält das Kandidatenland den Status eines „beitretenden Staates“ und damit gewisse Vorrechte bis zu seinem endgültigen EU-Beitritt, bis zum dem auch noch etwas Zeit vergehen kann. So kann das Land bereits in diesem Stadium des Beitrittsprozesses an Sitzungen der EU-Organe als „aktiver Beobachter“ teilnehmen und besitzt dort ein Rede- aber kein Stimmrecht.

Die Ratifizierung


Anschließend folgt die Ratifizierung des Beitrittsvertrages durch jeden EU-Mitgliedsstaat und den Beitrittskandidaten nach jeweiligen internen Bestimmungen. Ist dieser Prozess abgeschlossen, tritt der Beitrittsvertrag an dem vorgesehenen Datum in Kraft und besiegelt damit die Vollmitgliedschaft des beitretenden Staates.


Quellen:

Europäisches Parlament: Das Beitrittsverfahren und die Beitrittsbedingungen

BpB: Beitrittsverfahren

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