Kopenhagener Kriterien - Voraussetzungen zum EU-Beitritt

Kurz & knapp

Was sind die Kopenhagener Kriterien?
Die in Kopenhagen von der EU formulierten Kriterien beschreiben die Voraussetzungen, die ein Land erfüllen muss, wenn es der EU beitreten möchte. Sie sind unterteilt in politische und wirtschaftliche Kriterien und setzen auch die Fähigkeit zur Bedingung, das gesamte Recht und die Politik der EU für das eigene Land zu übernehmen.

Wann und warum wurden sie eingeführt?
Die Kriterien wurden 1993 vom Europäischen Rat in Kopenhagen eingeführt. In Vorbereitung auf die große Erweiterungswelle - die Osterweiterung 2004 - sollte ein Instrumentarium geschaffen werden, das dafür sorgt, dass sich wirtschaftlich wie politisch labile Länder im Zuge eines EU-Beitritts an das Niveau der EU annähern. Ziel ist es, ein gemeinsames System von Werten und Normen innerhalb der Union aufzubauen bzw. weiterhin zu gewährleisten.

Was geschieht, wenn ein EU-Mitglied sie missachtet?
Bereits in Art. 7 des EU-Vertrags ist festgelegt, was geschieht, wenn ein Mitgliedstaat gegen die in Art. 2 formulierten Werte verstößt. Die Sanktionen sehen etwa den Entzug von Rechten vor. Der 2014 geschaffene Rechtsstaatsmechanismus soll als Frühwarnmechanismus dienen. 2020 wurde der Mechanismus verschärft, künftig soll ein Vertragsverstoß auch finanzielle Folgen haben.

 

Warum gibt es die Kopenhagener Kriterien?

In Vorbereitung auf die fünfte und größte Erweiterungsrunde in der Geschichte der EU – die Osterweiterung – formulierte der Europäische Rat von Kopenhagen im Jahr 1993 die sogenannten "Kopenhagener Kriterien"  zum EU-Beitritt. Diese Voraussetzungen muss ein Land fortan erfüllen, will es Vollmitglied der Europäischen Union werden. Die Kopenhagener Kriterien haben in den anschließenden Erweiterungsprozessen weitere Präzisierung erfahren und bieten den Kandidatenländern wichtige Orientierung.

Im Jahr 1995 präzisierte der Europäische Rat, dass es für einen Beitritt nicht ausreicht, den EU-Acquis vollständig in innerstaatliches Recht zu übernehmen. Ein Beitrittskandidat muss zudem durch Anpassung seiner Verwaltungs- und Justizstrukturen die wirksame Implementierung der EU-Rechtsvorschriften gewährleisten.

Im Jahr 1997 beschloss der Europäische Rat ferner, dass ein Beitrittskandidat bereits für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen die politischen Kriterien von Kopenhagen erfüllen muss. Die wirtschaftlichen Kriterien sowie die Fähigkeit, die Verpflichtungen zu erfüllen, seien zu diesem Zeitpunkt "aus einer zukunftsorientierten, dynamischen Sicht heraus" zu beurteilen.

Die Kopenhagener Kriterien sollen also dafür sorgen, dass sich wirtschaftlich wie politisch labile Länder sich im Zuge eines EU-Beitritts an das Niveau der EU annähern.  Ziel ist es,  ein gemeinsames System von Werten und Normen innerhalb der Union aufzubauen bzw. weiterhin zu gewährleisten. So flossen die Kopenhagener Kriterien auch 1999 mit dem Vertrag von Amsterdam in die EU-Verträge ein.

Die beitrittswilligen Staaten haben jedoch nicht nur die Kopenhagener Kriterien zu erfüllen. Vielmehr wendet die EU auf unterschiedlichen Ebenen umfassende Prüfverfahren an, die sicherstellen, dass neue Mitgliedstaaten nur aufgenommen werden, wenn sie nachweisen können, dass sie ihre Rolle als Mitglieder in vollem Umfang wahrnehmen können. Dazu müssen sie alle EU-Standards und  -Regeln  erfüllen; die Zustimmung  der EU-Institutionen und -Mitgliedstaaten erlangen; die Einwilligung  ihrer  Bürger einholen  (entweder in Form der Genehmigung durch das nationale Parlament oder im Rahmen einer Volksabstimmung).

Was steht in den Kopenhagener Kriterien?

Gemäß den Kopenhagener Kriterien muss ein Beitrittskandidat folgende Anforderungen erfüllen, um Mitglied der EU zu werden:

  1. Politisches Kriterium: Institutionelle Stabilität als Garantie für demokratische und rechtsstaatliche Ordnung, für die Wahrung der Menschenrechte sowie die Achtung und den Schutz von Minderheiten.
     
  2. Wirtschaftliches Kriterium: Eine funktionsfähige Marktwirtschaft sowie die Fähigkeit, dem Wettbewerbsdruck und den Marktkräften innerhalb der EU standzuhalten.
     
  3. Acquis-Kriterium: Die Fähigkeit, alle Pflichten der Mitgliedschaft – d. h. das gesamte Recht sowie die Politik der EU (den sogenannten „Acquis communautaire") – zu übernehmen, sowie das Einverständnis mit den Zielen der Politischen Union und der Wirtschafts- und Währungsunion.

Darüber hinaus gibt es ein viertes Kriterium: Die Voraussetzung der Aufnahmefähigkeit der EU. Lange Zeit wurde es als das „vergessene Kriterium" von Kopenhagen bezeichnet. Dieser Bedingung, auf welche die Kandidatenländer wenig Einfluss haben, kommt mit jeder Erweiterungsrunde eine wachsende Bedeutung zu.

 

Was geschieht, wenn ein Land nach dem Beitritt die Kriterien missachtet?

Ohne dass ein Land die Kopenhagen-Kriterien erfüllt, zu denen das eindeutige Bekenntnis zu den fundamentalen europäischen Werten, niedergeschrieben in Art. 2 EUV, gehört., kann ein Land kein Mitglied der EU werden. Was aber ist in der Zeit danach? Was geschieht, wenn nach dem Beitritt die Regierung eines Mitgliedstaats die Werte zunehmend verletzt?

Mit gewisser Ratlosigkeit schaut man schließlich schon seit 2010 auf Länder wie Ungarn und Polen, die zunächst einen „Reformeifer“ an den Tag legten und mehr und mehr die Demokratie mit ihren Werten und den Rechtsstaat untergraben. Wie umgehen mit diesem Kopenhagen-Dilemma?

Nach Artikel 7 des EU-Vertrags kann festgestellt werden, dass eine schwerwiegende und anhaltende Verletzung der in Artikel 2 genannten Werte durch einen Mitgliedstaat vorliegt und welche Konsequenzen dies nach sich zieht. Der Rat der EU kann mit qualifizierter Mehrheit beschließen, bestimmte Rechte auszusetzen, die sich aus der Anwendung der Verträge auf den betroffenen Mitgliedstaat herleiten, einschließlich der Stimmrechte des Vertreters der Regierung dieses Mitgliedstaats im Rat.

Um solchen Tendenzen in einem Mitgliedstaat der EU frühzeitig zu begegnen, rief die EU-Kommission im Jahr 2014 den sogenannten "Rechtsstaatsmechanismus"  ins Leben. Die Intension dieses Frühwarnmechanismus liegt darin, mit Regierungen in einen konstruktiven Dialog zu treten, bei denen zumindest der Verdacht eines Eingriffs in die Funktion des Rechtsstaats besteht.

Diese Mechanismen erfahren in den letzten Jahren zunehmend Kritik, da sie in der Praxis nicht funktionieren würden. Das Sanktionsverfahren ist in dem Moment ausgehebelt, wenn sich ein weiterer Staat findet, der das Sanktionsverfahren nicht mittragen möchte.

Die EU hat Ende 2020 deshalb beschlossen, noch einen Schritt weiter zu gehen, um die Wirksamkeit des Mechanismus zu erhöhen. Durch den Anfang 2021 in Kraft getretenen neuen Rechtsstaatsmechanismus soll ein Verstoß gegen bestimmte Werte der EU von nun an auch finanziell mittels Kürzung der EU-Mittel geahndet werden können. "Allgemeine Konditionalitätsregelung zum Schutz des Haushalts der Union", so der Titel des neuen Mechanismus. Doch wiederum sorgten Polen und Ungarn für Schlagzeilen, da sie das Corona-Hilfspaket der EU als Druckmittel nutzten und es aus Protest zunächst blockierten.

Noch ist nicht klar, ob der neue Mechanismus tatsächlich schon rechtswirksam ist und  angewendet werden kann. Die Europäische Kommission und das Europäische Parlament sehen dies als gegeben. Doch Polen und Ungarn bestehen darauf, dass der Mechanismus erst einmal vom Europäischen Gerichtshof überprüft und erst nach einem Urteil angewendet wird. Das könnte sich ein bis zwei Jahre hinziehen.


Quellen:

Deutsche Bundestag, 2016: Voraussetzungen für den Beitritt eines Staates zur Europäischen Union

Deutschland & Europa, Heft 66/2013: Erweiterungs- und Austrittsdiskussionen in der EU

Europäische Kommission, 2014: Neue Rahmenvorschriften zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit in der Europäischen Union

Euractiv, 8.4. 2016: Das Kopenhagen-Dilemma

Deutsche Welle, 5.2,2021: Was taugt der Rechtsstaatsmechanismus?

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