Geschichte Aserbaidschan

Frühere Geschichte

In der Mitte des 11. Jahrhunderts wanderten turksprachige Stämme, die vor den Mongolen Zentralasiens flohen, in die Region des heutigen Aserbaidschan ein. Nach und nach absorbierte das türkische die Sprache der alteingesessenen Stämme und vermischte sich zur aserbaidschanischen Sprache. Auf dieser ethnischen, sprachlichen und kulturellen Basis trat die aserbaidschanische Nation ihren weiteren Weg in die Zukunft an. Im 11. bis zum 13. Jahrhundert erlebte Aserbaidschan sein erstes goldenes Zeitalter mit einer beispiellosen Blüte von Architektur, Kunst und Literatur. Dieser aserbaidschanischen Renaissance bereiteten die mongolischen Stürme ein gewaltsames Ende. Seit 1220 fielen sie mehrfach auf dem heutigen Territoriums Aserbaidschans ein.

Modernisierung und Russifizierung

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts etablierte sich die russische Herrschaft. Aserbaidschan bekam eine neue Verwaltungsstruktur und wurde auf drei künstlich geschaffene Bezirke aufgeteilt. 1836 zog Russland einen Schlussstrich unter die autokephale eigenständige Kirche der christlichen Albaner, die den gebirgigen Westen Aserbaidschans bewohnten und ordnete sie der armenischen gregorianischen Kirche unter. Nicht zuletzt dieser Umstand zementierte die bis in die Gegenwart reichende armenischen Ansprüche auf das aserbaidschanische Territorium von Nagorny-Karabach (Berg-Karabach). Während Russland im Nordkaukasus verlustreiche Kämpfe gegen muslimische Bergvölker führte, bis deren Widerstand nach nahezu 50 Jahren Kaukasuskrieg 1864 gebrochen war, verlief die Kolonisierung in Aserbaidschan weniger konfliktreich. Die alten Fürstendynastien wurden teilweise in den russischen Adel aufgenommen, die Leibeigenen 1870 befreit.

Die Kolonisierung und Russifizierung ging einher mit modernen Reformen und gipfelte in der Alphabetisierung und einem sozialen und wirtschaftlichen Aufschwung. Den größten Umbruch bewirkte das in der Umgebung von Baku reichlich vorhandene Erdöl, dessen enorme technologische ökonomische Bedeutung erst im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts erkannt wurde. Die Erdölindustrie Anfang des 19. Jahrhunderts bescherte Baku einen wirtschaftlichen Aufschwung. Viele Unternehmer und  Arbeiter siedelten sich an. Die Aserbaidschaner stellten nur eine Minderheit. Baku erhielt ein bürgerlich proletarisches Gesicht und zudem eine multiethnische Struktur. Russische und armenische Industrielle und Händler waren aus der Industriemetropole nicht mehr wegzudenken.

Während der Sowjetherrschaft in den 1890er Jahren bildete sich in Baku eine sozialdemokratisch orientierte Gruppierung und schon 1901 traten Lenins Bolschewiki in Baku auf den Plan. Generalstreiks wurde organisiert. Wenige Tage nach der Oktoberrevolution ergriffen sie in Baku die Macht. Neun Monate später verloren sie diese wieder im Bürgerkrieg gegen republikanische Nationalisten.

 

Auflösung der Sowjetunion und Unabhängigkeit

Mit dem sich anbahnenden Zerfall der Sowjetunion durch die Perestroika und Glasnost bildet sich auch in Aserbaidschan eine Volksfront, eine schnell wachsende Bürgerbewegung, die ihre Republik im September 1889 für souverän erklärt hatte. Dies war eine prompte Reaktion auf den sich zuspitzenden Konflikt um Karabach und den Machtzerfall der gesamten Sowjetunion. Die Zentralgewalt zeigte sich aber nicht gewillt, den zunehmenden Demonstrationen, Ausschreitungen und Übergriffen auf verbliebene Armenier in Baku tatenlos zuzusehen und intervenierte militärisch mit der Begründung, einen drohenden Bürgerkrieg verhindern zu wollen. Am 20. Januar 1990 rollten Panzer durch Baku und mindestens 131 Menschen kamen ums Leben. Im darauffolgenden Jahr boykottierte Aserbaidschan wie Armenien Gorbatschows Referendum zur Reform der Sowjetunion nach dem gescheiterten Moskauer Putschversuch. Im August 1991 stand der Unabhängigkeit Aserbaidschans nichts mehr im Wege, am 30. August wurde diese schließlich vom Parlament verkündet. Ungelöst blieb das Problem um Nagorny-Karabach. Der kriegerische Konflikt der Jahre 1988 - 1994 forderte 20.000 Todesopfer und trieb über eine Million Menschen in die Flucht.

 

Herrschaft des Alijew-Klans

Unter der Präsidentschaft Heydar Alijews (1994 – 2003) erlebte die junge Republik Aserbaidschan viele tiefgreifende innenpolitische Veränderungen. Wirtschaftliche Reformen schufen klare rechtliche Rahmenbedingungen für marktwirtschaftliche Strukturen, den Schutz von Investitionen, die Stabilisierung des Finanzsektors und die Konsolidierung des Staatshaushalts. Die Privatisierung der Betriebe kam dagegen nur langsam voran. Für internationales Aufsehen sorgte jedoch der von Alijew mit internationalen Mineralölkonzernen unter Führung von BP ausgehandelter Jahrhundertvertrag, auf dessen Grundlage mehrere große Erdölfelder vor der Küste im kaspischen Meer erschlossen werden sollten. Ende der 90er Jahre. als das erste Öl Richtung Schwarzes Meer floss, erlebte Aserbaidschan dadurch einen ersten spürbaren wirtschaftlichen Aufschwung. Außenpolitisch gelang es, die Balance zu halten zwischen Russland und dem Westen. Genugtuung bereitete Alijew die 2001 erfolgte Aufnahme Aserbaidschans in den Europarat. Die internationale Gemeinschaft respektierte den autoritären, aber pragmatischen und verlässlichen Herrscher.  

2003 wurde Ilham Alijews, der Sohn des mittlerweile schwer erkrankten Heydar Alijews, von ihm zum Ministerpräsidenten ernannt. Drei Monate später am 15. August 2003 gewann er die Präsidentschaftswahlen, die nach dem Urteil unabhängiger Beobachter manipuliert waren. Die schwache politische Opposition konnte sich auf keinen gemeinsamen Gegenkandidaten einigen. Aserbaidschan ist der erste aus der Sowjetunion hervorgegangenen Staat mit einer dynastischen Nachfolge an der Spitze.

Krieg um Bergkarabach 2020

In seinem Amt als Regierungschef führte Ilham Alijew die Politik seines Vaters fort. Wie sein Vorgänger regierte er unnachgiebig und repressiv auf jede Opposition und erste Anzeichen für Demonstrationen oder soziale Unruhen. Freie und kritische Meinungsäußerung gelten als Angriff auf die politische Stabilität und öffentliche Sicherheit. Im Herbst 2020 führte Alijew mit Unterstützung der Türkei einen 6-wöchigen Krieg gegen Armenien zur Eroberung von Bergkarabach. Nach schweren Kämpfen und dem ersten Drohnenkrieg mithilfe türkischer und israelischer unbemannter Flugkörper erreichte er zügig Geländegewinne in Bergkarabach. Die verfeindeten Nachbarstaaten Armenien und Aserbaidschan schlossen Anfang November unter Vermittlung Russlands einen Waffenstillstand. Das Abkommen vom 9. November 2020 sieht vor, dass beide Kriegsparteien jene Gebiete behalten, über die sie zu diesem Zeitpunkt die Kontrolle hatten. Für Armenien bedeutet dies große Gebietsverluste, seither kommt es in Armenien zu heftigen Proteste gegen die Regierung. Russische Truppen überwachen in Bergkarabach mit 2000 russischen Soldaten die „Friedenssicherung“.


Ausführliche Informationen zum Bergkarabach-Konflikt


Autor: Ralph Hälbig. Aufbereitung für das Netz: Internetredaktion der LpB

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