Politisches System und aktuelle Politik in Bulgarien


 

Aktuelle Politik

Wahlen und Regierung

Bulgarien hatte bereits 2021 ein bewegtes Wahljahr hinter sich. Insgesamt drei Mal war die Bevölkerung aufgerufen, eine neues Parlament zu wählen. Die poitische Krise setzte sich auch 2022 fort und geht auch 2023 in eine neue Runde. Innerhalb von zwei Jahren fanden insgesamt fünf Wahlen statt.

Bei den ersten Parlamentswahlen am 4.April 2021 wurde zunächst  BoykoBorissows GERB-Partei    („Bürger für eine Europäische Entwicklung Bulgariens“) mit gut 25 Prozent der Stimmen abermals stärkste Kraft, Sie musste aber  einen deutlichen Stimmenrückgang im Vergleich zu den letzten Parlamentswahlen  einstecken. Noch größere Verluste verbuchten die oppositionellen Sozialisten, die um mehr als 12 Prozent abrutschten und nur noch knapp 15 Prozent erhielten. Die Protestparteien hingegen erzielten große Zuwächse, die neu gegründete Partei ITN  „Es gibt ein solches Volk" des Fernsehmoderators und Sängers Slawi Trifonow kam auf gut 17 Prozent und konnte viele Anti-Borissow-Anhänger für sich gewinnen.  Schon im Vorfeld rechneten Beobachter mit einer schwierigen Regeirungsbildung und schlossen auch Neuwahlen nicht aus. Ministerpräsident Borissow bot noch in der Wahlnacht die Bildung einer vorübergehenden Expertenregierung an. Am 15. April ist Borrisow zurückgetreten. Die Interimsführung des Landes wurde vom stellvertretenden Premier übernommen.

Bei den Neuwahlen zum Parlament am 11. Juli 2021 kam es zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Borossiws GERB-Partei und Trifonows ITN-Partei. Nach den Auszählungen ergab sich ein knapper Sieg zu Gunsten der populistischen Oppositions-Partei ITN. Wie die staatliche Wahlkommission mitteilte, liegt die ITN bei 23,9 Prozent der Stimmen, die rechtsnationale  GERB-Partei kam auf 23,7 Prozent. Slawi Trifonow kündigte überraschender Weise an, eine Minderheitsregierung bilden und nicht mit den anderen Oppositions-Parteien koalieren zu wollen, keine der anderen Protestparteien würden eine parlamentarische Mehrheit erreichen . DIie ITN wolle in diesem Fall „keine Koalition mit irgendeiner Partei bilden, sondern die alleinige Verantwortung für die Regierungsbildung übernehmen."  Es zeichnete sich also abermals eine schwierige Regierungsbildung ab.
Trifonow gab ferner bekannt, er wolle die Rolle des Parlaments wieder stärken und die Korruption bekämpfen: "Bulgarien war eine Premierminister-Republik", und  „in den letzten Jahren wurde das Parlament zerquetscht, marginalisiert und gedemütigt". Dem wolle Trifonow Abholfe schaffen und das Establishment bekämpfen. Und, ebenfalls zur Überraschung von Beobachtern, kündigte er ferner an, Premierminister wolle er, als Mann ohne politische Erfahrung, gar nicht werden. Das Mandat der Wähler, seine Sitze im Parlament, wolle er in den Dienst einer Expertenregierung stellen, die er vorschlagen will. Die Liste seiner Minister umfasse „Leute mit Moral, die Fremdsprachen sprechen und Abschlüsse internationaler Universitäten haben". Einige Wochen nach der Neuwahl zeichnetet sich ab, dass die Regierungsbildung abermals gescheitert ist. Wahlsieger Trifonow wollte mit seiner Protestpartei ITN eine Minderheitsregierung stellen, welche die beiden übrigen Protest- und Bürgerrechtsparteien nicht mittragen wollten.  Abermals zeigte der Kurs in Richtung Neuwahlen,

Das Demokratieverständnis der Bulgaren lasse schmerzlich zu wünschen übrig, kommentiert die Ostbloggerin Vessela Vladkova das politische Geschehen in Bulgarien. Nur 42 Prozent der Wahlberechtigten gingen im Juli zur Wahl. Ein gestörtes Demokratieverständnis demonstriere aber auch der Sieger dieser wenig repräsentativen Wahl. Schon vor Bekanntgabe des offiziellen Wahlergebnisses hatte Trifonow die neue Regierung bekannt gegeben, ohne Koalitionspartner, ohne politische Konsultationen. Die Überheblichkeit, mit nur 65 Abgeordneten in einem 240-köpfigen Parlament allein regieren zu wollen, sei mehr als nur eine Provokation und sage viel über die Substanz einer populistischen Formation aus, so Vlakkova. Die politische Krise in Bulgarien scheint kein Ende zu nehmen,

Inmitten der aktuellen politischen Blockade hatte Staatspräsident Rumen Radew Ende August 2021 die Sozialisten mit der Regierungsbildung beauftragt. Sie sollten ausloten, ob sie ein Regierungsbündnis schmieden können. Die drei Protestparteien, die als mögliche Koalitionspartner galten, erteilten den Sozialisten jedoch eine Absage. Präsident Radew musste also nach drei gescheiterten Anläufen dem Grundgesetz zufolge  eine erneute Parlamentswahl anberaumen, die dritte in diesem Jahr.

Die  Parlamentswahl  am 14. November 2021 fand zusammen mit den Präsidentschaftswahlen statt. Die erst im September gegründete korruptionskritische Partei „Wir setzten den Wandel fort" (Prodlschawame promjanata, PP) hat ldie Wahl als stärkste Kraft gewonnen. Überraschend kam die Partei auf 25 Prozent der Stimmen, die GERB-Partei lediglich auf 22 Prozent. Kiril Petkow wude als möglicher künftiger Ministerpräsident gehandelt, er steht, zusammen mit Assen Vassilev, für den Wandel, eine neue bulgarische Politik und die Bekämpfung der Korruption. Am 13. Dezember 2021  bestätigte das Parlament die neue Regierung, bestehend aus einer Vier-Parteien-Koalition. Neben den Überraschungswahlsiegern der neuen Partei „Wir setzen den Wandel fort" (PP) gehören ihr die Populisten von „Es gibt so ein Volk" (ITN), die „Bulgarische Sozialistische Partei" (BSP) und die konservativ-liberale Partei „Demokratisches Bulgarien" (DB) an. „Heute ist ein wichtiger Tag, um den Wandel des Denkens und der Regierung fortzusetzen", kommentierte der neue Ministerpräsident Kiril Petkow seine Wahl.

Bereits ein halbes Jahr später stürzte ein Misstrauensvotum die bestehende Regierung unter Premier Petkow. Die Regierungskoalition war Anfang Juni 2022 zerbrochen, als die populistische ITN-Partei des Sängers Slawi Trifonow ihren Rückzug aus dem von Petkow angeführten Viererbündnis verkündet hatte. Nach dem Misstrauensvotum kann Präsident Rumen Radew dreimal versuchen, andere Parteien mit der Suche nach einer Regierungsmehrheit zu beauftragen.  Scheitert dies, wird das Parlament aufgelöst. Binnen zwei Monaten mussten nun abermals Neuwahlen angesetzt werden.

Nach den Neuwahlen im Oktober 2022 zeichnete sich erneut eine schwierige Regierungsbildung ab, Mit 25,3 Prozent stärkste Kraft wurde die Partei GERB von Ex-Premierminister Bojko Borissow. Dahinter lag die PP mit 20,2. Prozent. Die Partei DPS erhielt 13,8 Prozent. Viertstärkste Kraft wurde die als pro-russisch geltende Vazrazhdane (deutsch: Wiedergeburt) mit 10,2 Prozent. Die BSP erhielt 9,3 Prozent der Stimmen. Mit 7,4 Prozent zog die Partei DB ins Parlament ein. ITN verpasste den Einzug ins Parlament mit 3,8 Prozent knapp. Da GERB bei der Wahl die stärkste Kraft wurde, dürfte dessen Vorsitzender Borissow Anspruch auf das Amt des Ministerpräsidenten erheben. Da die GERB jedoch politisch isoliert ist, stehen die Chancen eine Regierung zu bilden Beobachtern zufolge eher schlecht. Da sich die Regierungsbildung wie erwartet schwierig gestaltete, wurde das Land von einer Übergangsregierung regiert. Ministerpräsident der Übergangsregierung ist Galab Donev..

Da es sowohl der konservativen Partei GERB als auch der noch jungen Partei PP nicht gelang, eine Regierung zu bilden, kam es im April 2023 erneut zu Neuwahlen. Das Mitte-Rechts-Bündnis GERB-SDS von Bojko Borissow hat die Parlamentswahl mit 26,5 Prozent der Stimmen knapp gewonnen. Der ebenso prowestliche liberal-konservative Block PP-DB von Ex-Regierungschef Kiril Petkow landete demnach mit 24,5 Prozent auf Platz zwei. Auch dieses Mal dürfte die Bildung einer neuen Regierung kompliziert werden, sind sich Politologen einig. Bis eine reguläre Regierung steht, wird das von Staatschef Rumen Radew angesichts der Neuwahl eingesetzte Übergangskabinett die Amtsgeschäfte weiter führen.

Blickt man zurück, konnte sich die  GERB-Partei unter Borissow über viele Jahe an der Macht halten. Gemeinsam mit dem konservativen Reformblock RB bildete die GERB schon seit  2014 eine Regierungskoaltion mit Boyko Borissov als Ministerpräsidenten. Trotz mancher Unruhen im Parlament konnte die Regierung bislang auf eine Mehrheit bauen. Mit dem Wahlsieg des russlandfreundlichen Kandidaten Rumen Radow („Bulgarische Sozialistische Partei“ , im Parlament mit 39 Sitzen),  bei der Präsidentenwahl im November 2016 hatte Ministerpräsident Borissov seinen Rücktritt angekündigt. Ihmzufolge hätte die Regierungskoalition fortan keine Mehrheit mehr. Deshalb wurden die Parlamentswahlen auf März 2017 vorgezogen. Diese Wahl war die dritte vorgezogene Parlamentswahl innerhalb von vier Jahren. Aus diesen Wahlen war die GERB-Partei abermals als Sieger hervorgegangen , sie kam auf 32,6 Prozent. Die eher pro-russisch ausgerichteten Sozialisten erhielten 27,1 Prozent und die Nationalisten 9 Prozent.
 

Proteste gegen Korruption

Im Sommer 2020 war es zu Protesten gegen die Mitte-Rechts-Regierungvon Ministerpräsident Bojko Borissow gekommen. Die Demonstranten forderten dessen Rücktritt  Sie werfen ihm vor, Ermittlungen zu Verbindungen von Behördenvertretern und örtlichen Oligarchen bewusst zu verzögern. Korruption gilt als großes Problem in dem EU-Land. Der von den oppositionellen Sozialisten unterstützte Präsident Rumen Radew hat sich als Kritiker der Regierung hervorgetan.
In einer Rede an die Nation sagte der Präsident nun, die Bulgaren hätten genug. Er forderte ebenfalls den Rücktritt der Regierung. Radew sagte, die Bulgaren protestierten gegen Korruption, Angsteinjagen und Staatsanwaltserpressung. Ministerpräsident Borissow lehnt die Aufforderung zum Rücktritt jeodch ab.

Pressefreiheit

Immer wieder ist die Pressefreiheit in Bulgarien unter Kritik geraten. Neben Poen und Ungarn steht das Land in der EU deshalb unter besonderer Beobachtung. Ein besonderes Problem stellen die geschäftlichen Interessen reicher Geschäftsleute und Oligarchen dar, die durch finanzielle Mittel Rechte an Verlagen oder Fernsehsendern erwerben. Das ermöglicht ihnen, durch entsprechende Berichterstattung hohen Druck auf die Politik und die öffentliche Meinung ausüben zu können.


Zur ausführlichen Analyse von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Bulgarien


Corona

Bulgarien hat bislang eine der niedrigsten Impfquoten Europas, wenn es so weitergehen würde, wären  sind bis Ende des Sommers erst 20 Prozent der Erwachsenen geimpft. Leidtragende der Pandemie sind vor allem die Roma, in keinem europäischen Land leben so viele Roma wie in Bulgarien. Viele haben keinen Zugang zu frischem Wasser, Kinderehen nehmen zu, Verschwörungsgeschichten kursieren. Die meisten Familien leben eng beisammen, sie sind häufiger chronisch krank, und die Skepsis gegenüber Behörden ist groß. Die denkbar schlechtesten Voraussetzungen, um einer Pandemie zu begegnen.


Informationen zur Situation der Corona-Pandemie in Europa


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Verfassung

Die Verfassung Bulgariens wurde am 12. Juli 1991 vom Parlament verabschiedet und trat am folgenden Tag in Kraft. Darin wird Bulgarien als parlamentarische Republik mit demokratischem und sozialem Rechtsstaat definiert. Die Verfassung sieht Menschen- und Bürgerrechte, Gewaltenteilung und politischen Pluralismus vor, sowie die Grundlage einer marktwirtschaftlichen Ordnung.


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Bulgarien ist derzeit stark zentralistisch verwaltet, doch es gibt Bemühungen, regionale Aufgabenverteilung zu fördern.

Präsident

Der Präsident der Republik und der Vizepräsident werden zusammen in direkter Wahl für fünf Jahre gewählt. Es sind maximal zwei Amtsperioden zulässig. Der Präsident vertritt das Land nach außen und nimmt darüber hinaus eine Reihe von Aufgaben repräsentativer und zeremonieller Art wahr. So ernennt er z. B. offiziell den Kandidaten der stärksten Fraktion im Parlament zum Ministerpräsidenten. Außerdem hat er das Recht, ein vom Parlament verabschiedetes Gesetz zurückzuweisen und zu erneuter Beratung vorzulegen. Nimmt das Parlament dieses Gesetz in unveränderter Form an, muss der Präsident es unterzeichnen (suspensives Vetorecht).

Bei der letzten Präsidentschaftswahl am 13. November 2016 wurde Rumen Radew gewählt.

Parlament

Wie in der Verfassung festgeschrieben, gilt in Bulgarien das Prinzip der Gewaltenteilung. Die Volksvertretung (Narodno Sabranie) ist ein Einkammerparlament mit 240 Abgeordneten. Diese wird nach dem Verhältniswahlrecht für vier Jahre gewählt. Zu den wichtigsten Aufgaben des Parlaments gehören die Gesetzgebung und Regierungskontrolle. Auch wählen die Abgeordneten den Ministerpräsidenten, der zusammen mit drei Stellvertretern und den Ministern den Ministerrat bildet. Im Ministerrat wird über die Innen- und Außenpolitik Bulgariens entschieden.
Das Parlament kann auch die Regierung stürzen. Dafür muss es ein Misstrauensvotum aussprechen, das die Abgeordneten mit absoluter Mehrheit verabschieden.

Quellen

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