Außenpolitik Ungarn
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Ungarn engagiert sich außenpolitisch im Rahmen der transatlantischen Kooperation, der europäischen Integration, der internationalen Entwicklungspolitik und des internationalen Rechts. Dabei sind die Mitgliedschaften Ungarns in der EU seit 2004 und der NATO seit 1999 wesentlich. Die aktuelle Regierung fährt einen europakritischen Kurs.
Beitritt zur EU
Schon bald nach Ende des kommunistischen Systems strebte Ungarn eine Mitgliedschaft in der EU an - die Beitrittsverhandlungen begannen 1998. Vier Jahre später bestätigte die EU Kommission, dass Ungarn die Kriterien für den Beitritt erfülle und somit trat Ungarn der Europäischen Union am 1. Mai 2004 zusammen mit neun weiteren Staaten bei.
Seit Mai 2004 nimmt Ungarn auch am Schengener Abkommen teil. Seit Dezember 2007 hat das Land alle erforderlichen Sicherheitskriterien erfüllt, sodass die Kontrollen an den Grenzübergängen zu anderen Schengen-Staaten abgeschafft wurden.
Ungarn in der EU
EU-Beitritt | 1. Mai 2004 |
Anteil an der gesamten EU-Bevölkerung | 1,9 Prozent |
Sitze im Europäischen Parlament | 21 |
EU-Kommissar/in | Oliver Varhelyi (Nachbarschaft und Erweiterung) |
Mitglied der Eurozone | Nein |
EU-Ratspräsidentschaft | Januar - Juni 2011 |
Weitere Mitgliedschaften
NATO | 1999 |
OSZE | 1973 |
WTO | 1995 |
Europarat | 1990 |
UN | 1955 |
Beziehungen zur EU
In den vergangenen Jahren kam es zu vermehrten Spannungen zwischen der EU und der seit Mai 2010 amtierenden Regierung unter Viktor Orban. So kritisierte die EU ein im Dezember 2010 erlassenes Mediengesetz, dass von Brüssel als eine Einschränkung der Pressefreiheit gesehen wurde und das zum Beispiel Geldstrafen gegen einzelne Medien bei „nicht ausgewogener Berichterstattung“ vorsah. Die ungarische Regierung milderte daraufhin einige Bestimmungen ab. Auch eine eilig beschlossene Verfassungsänderung, die im Januar 2012 in Kraft trat, stieß bei der EU auf Empörung. Im April 2012 entschied die EU Kommission, Klage gegen Ungarn wegen Verletzung der EU-Verträge beim Europäischen Gerichtshof einzureichen, da die Unabhängigkeit der Justiz im Land bedroht sei.
Ungarn weigert sich wie Polen Geflüchte nach dem Quotenprinzip der EU aufzunehmen. Auch errichtete Ungarn entlang seiner Grenzen zu Serbien, Kroatien und Rumänien Stacheldrahtzäune, um Flüchtlinge an der Einreise zu hindern. Ein von der Regierung abgehaltenes Referendum, in dem die Bürger Ungarns über die Flüchtlingsquoten abstimmen sollten, scheiterte aufgrund zu geringer Beteiligung im Oktober 2016.
Die fortwährenden Verletzungen von Grundrechten veranlasste im September 2018 das Europäische Parlament dazu, ein Verfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrags gegen Ungarn einzuleiten, da es immer schlechter um die Rechtsstaatlichkeit in Ungarn besellt ist. Im Jahr zuvor wurde bereits gegen Polen ein ähnliches Verfahren in die Wege geleitet.
Zur Situation von Demokrtie und Rechtsstaatlichkeit in Ungarn haben wir eine gesonderte Analyse erstellt.
Insgesamt betrachtet plädiert Orban anstelle der EU in ihrer bisherigen Form für ein "Europa der Nationen“ mit ausgeprägt christlichen und kulturell konservativen Traditionen.
Der ungarische Kurs zog nun auch Konsequenzen, was die Fidesz-Partei im Europäischen Parlament anbelangt. Nach jahrelangen Streitigkeiten verlässt Anfang März 2021 die immer weiter nach rechts ausgescherte Parteides ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban die christdemokratische Fraktion im Europäischen Parlament. Zwölf ungarische Fidesz-Abgeordnete sind von nun an also nicht mehr Teil der EVP Fraktion. Orban war mit dem Austritt dem Parlament zuvor gekommen, um eine Suspendierung zu verhindern. Fidesz habe gegen EU-Werte verstoßen, sagt EVP-Fraktionschef Weber.
Ungarn in der NATO
Ungarn näherte sich der NATO schon 1994 durch seinen Beitritt zum Programm "Partnerschaft für den Frieden" an. Zudem engagierte sich das Land noch vor seiner Mitgliedschaft in der NATO bei den Einsätzen IFOR und SFOR in Bosnien. Im Jahr 2016 waren circa 700 Soldaten der ungarischen Armee weltweit im Einsatz. Diese unterstützten unter anderem die ISAF in Afghanistan, den Einsatz KFOR im Kosovo, sowie die Operationen in Bosnien und Herzegowina. Derzeit liegen die Verteidigungsausgaben Ungarns bei etwa 0,9 Prozent des BIP (2016), sollen bis 2022 aber auf 1,4 Prozent steigen.
Ungarn sieht nach wie vor die NATO mit Artikel fünf als Eckpfeiler seiner Sicherheit. Dennoch wurde in der Militärstrategie deutlich, dass auch die Landesverteidigung wieder stärker in den Fokus rücken soll, um die ungarische Unabhängigkeit zu stärken. Im November 2016 ist ein NATO-Hauptquartier (NFIU) in Ungarn eröffnet worden, das Teil des Readiness Action Plans ist. Als eines von sieben Hautquartieren sollen hier mögliche Einsätze der NATO vorbereitet werden.
Weitere Kooperationen
Ungarn zählt zu den Gründungsmitgliedern der Visegrád-Gruppe, die 1991 ins Leben gerufen wurde. Dem Bündnis gehören neben Ungarn auch Polen, Tschechien und die Slowakei an. Insbesondere durch die Flüchtlingsthematik ist der Austausch innerhalb der Gruppe zuletzt wieder intensiver geworden.
In der EU trat Ungarn für eine Annäherung an die Länder des westlichen Balkans ein, was besonders während der ungarischen Ratspräsidentschaft deutlich wurde. Dies drückte sich etwa im starken Engagement für einen EU-Beitritt Kroatiens aus.
Viktor Orbán verfolgt seit Jahren sein Konzept eines "illiberalen Staates" für Ungarn. Bei der Verkündigung des Konzepts 2014 benannte er damals auch seine Vorbilder: Russland, China und die Türkei. Orbán hat seitdem keine Gelegenheit ausgelassen, um die Beziehungen seines Landes zu den Führern dieser Staaten zu intensivieren. Damit geht er immer mehr auf diplomatischen Konfrontationskurs zur EU-Außenpolitik.
Quellen
auf Deutsch:
Keno Verseck, 27.2.14: „Ungarn: Feldzug gegen die EU“
www.welt.de, 17.2.14 „EU-Fahnen werden im Parlamentsklo entsorgt“
auf Englisch:
Boell-Stiftung (2016): "The Referendum in Hungary: "A Clear Foreign Policy Debacle and a Temporary Domestic Setback for the Government"
Ministery of Defence (2012): Hungary's National Defence Strategy