Presse- und Meinungsfreiheit in Russland

Die umfassende Kontrolle über das politische Geschehen im Land, auch bekannt als die Machtvertikale, wird unter anderem durch die gezielte Beeinflussung der öffentlichen Meinung sichergestellt, die wiederum auf der Kontrolle über die Medienlandschaft beruht. In der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen belegt Russland 2021 Platz 150 von 180.

Nach wie vor informieren sich viele Menschen in Russland vorrangig über Fernsehen, Radio und Zeitungen, auch wenn die Internetnutzung in den letzten Jahren stetig zugenommen hat – im Januar 2018 gaben 57 Prozent der Bevölkerung an, „praktisch täglich“ online zu sein, 2015 waren es noch 41 Prozent. Die klassischen Massenmedien wurden seit Anfang der 2000er unter staatliche Kontrolle gebracht. Dabei sind alternative Inhalte durchaus toleriert worden, solange sie lediglich ein Nischenpublikum erreichten und keine größeren politischen Ambitionen entwickelten.

Erreichten einzelne Journalistinnen und Journalisten oder Verlagshäuser aber ein zu großes Publikum und nahmen sich Themen an, die zu öffentlichem Unmut gegenüber der Regierung hätten führen können, wurden sie schnell zum Ziel repressiver Maßnahmen. Diese reichten von der Verhaftung und Verurteilung einzelner Medienschaffender über den plötzlichen Verlust von Werbeverträgen und Übertragungsrechten bis hin zum Aufkauf und Umstrukturierung der als politisch gefährlich designierten Sender oder Zeitungen, die zumeist in der Entlassung besonders kritischer Stimmen resultieren (vgl. Lipman 2017).

So erging es etwa der renommierten und für ihre hohen journalistischen Standards geschätzten Zeitung Wedomosti. Im Frühjahr 2020 wurde der Kreml-freundliche Geschäftsmann Iwan Eremin zum neuen Eigentümer, mit ihm kam mit Andrej Schmarov auch ein neuer Chefredakteur. Schmarov, der zuvor die als Kreml-nah geltende Zeitung Expert mitgegründet hatte, geriet schon bald in Konflikt mit der Redaktion, die ihn der Zensur und unlauterer Praktiken in der Redaktion bezichtigte. Der Richtungskampf endete mit dem Rücktritt des Generaldirektors und der Redaktion, der als Zeichen des Protests zwar hohe Wellen in der russischen Medienlandschaft und Zivilgesellschaft schlug, letztlich aber das Ziel der kompletten Ausschaltung kritischer Stimmen bei der Zeitung den Weg ebnete. Auch andere beliebte, unabhängige Medien wie der Fernsehsender Dozhd (Regen) oder das Online-Nachrichtenportal Lenta.ru gerieten in den letzten Jahren zunehmend in Bedrängnis. Lenta.ru operiert seit 2014 unter dem neuen Namen Meduza gewissermaßen vom Exil in Riga aus; im April 2021 ist das Nachrichtenportal der Liste der „Ausländischen Agenten“ hinzugefügt worden, was seine Arbeit weiter einschränkt. Der Fernsehsender Dozhd hat seine Arbeit indessen am 3. März 2022 kurz nach Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine eingestellt; der Chefredakteur Tichon Dsjadko verließ Russland unmittelbar darauf.

Verschärfte Einschränkung der Presse- und Meinungsfreiheit seit Beginn der russischen Invasion

Im Zuge des sich erneut zuspitzenden Konflikts um die Ukraine mit dem Westen hatte Russland im Februar 2022 dem Auslandssender Deutsche Welle die Lizenz zur Ausstrahlung von Fernsehsendungen auf Englisch, Russisch und Deutsch entzogen. Ferner wurde das Korrespondentenbüro des deutschen Auslandsrundfunks in Moskau geschlossen. Dieser Schritt folgte auf die Entscheidung deutscher Regulierungsbehörden, die tags zuvor dem russischen Auslandssender RT DE die Ausstrahlung jeglichen Programms in Deutschland verboten hatten, mit der Begründung, dass die erforderliche medienrechtliche Zulassung fehle. Eine Zulassung war für den im Dezember 2021 begonnenen Sendebetrieb jedoch nicht beantragt worden, mutmaßlich wegen der eigentlich erforderlichen Staatsferne, welcher der Sender nicht entsprechend nachkommt, so der Vorwurf seit Langem.

Wenige Tage nach Beginn der russischen Invasion in der Ukraine hat Russland Anfang März den populären kremlkritischen  Radiosender Echo Moskwy geschlossen. Der Sender hatte kritisch über Russlands Krieg gegen die Ukraine berichtet. Die Schließung löste breites Entsetzen aus. Für viele Russen, die Propaganda der Staatsmedien ablehnen, ist der Sender die wichtigste Informationsquelle. Bereits seit dem Beginn der russischen Invasion hatten die Behörden den Medien im Land verboten, in der Berichterstattung über den Krieg gegen die Ukraine Begriffe wie „Angriff“, „Invasion“ und „Kriegserklärung“ zu verwenden.

Ende März 2022 gab ein weiteres kritisches Medium in Russland seine Arbeit auf. Die wichtigste unabhängige Zeitung in Russland, die „Nowaja Gaseta”, gab die Entscheidung bekannt, ihr Erscheinen auszusetzen bis der Krieg in der Ukraine vorbei sei.Grund ist nach Angaben der Redaktion eine weitere Verwarnung der russischen Regierung.

Die Einführung eines neuen Mediengesetzes Anfang März 2022 war ein weiterer Schlag gegen die Pressefreiheit in Russland. Das russische Parlament hatte ein Gesetz verabschiedet, das hohe Geldbußen und lange Haftstrafen bis zu 15 Jahren für die Veröffentlichung von „Falschnachrichten” über die russischen Streitkräfte vorsieht. Laut Gesetzestext stehen konkret das Verbreiten vermeintlicher Falschinformationen über russische Soldaten, das Diskreditieren russischer Streitkräfte und auch Aufrufe zu Sanktionen gegen Russland unter Strafe. Moskau bezeichnet den Krieg als militärische „Sonderoperation“.

Einschränkung des Internets

Was das russische Internet anbelangt, galt dieses lange Zeit als ein freier Raum, in dem sich diejenigen, die Zugang dazu hatten – maßgeblich also die jüngere, urbane und gebildete Bevölkerung – unabhängige Informationen verschaffen und sich vernetzen konnten. Bei den großflächigen Protesten rund um die Duma- und Präsidentschaftswahlen 2011/2012 spielten das „Runet“ und die sozialen Medien eine entscheidende Rolle für die Mobilisierung und Organisation der Bewegung. Die russische Regierung ist sich dieses subversiven Potenzials jedoch bewusst und so wurden seit 2012 eine ganze Reihe von Maßnahmen getroffen, um das Internet unter Kontrolle zu bringen. Diese bestehen vor allen Dingen in neuen Gesetzen, die eine rechtliche Handhabe gegen unliebsame Internetseiten, Inhalte oder Personen gewährleisten. So wurde im Sommer 2012 das Föderale Gesetz „Über den Schutz von Kindern vor Informationen, die schädlich für ihre Gesundheit und Entwicklung sind“ geändert und auf dieser Basis eine Schwarze Liste für zu sperrende Internetseiten eingeführt. Ende 2013 folgte ein Anti-Extremismusgesetz, das die Verbreitung extremistischer Inhalte im Netz verhindern soll. Gemeinsam ist diesen Gesetzen, dass die Entscheidung darüber, was als schädlich für Kinder oder extremistisch gilt, allzu oft willkürlich getroffen wird und politisch motiviert ist. Das sogenannte „Jarowaja-Paket“ verpflichtet seit 2016 Mobil- und Internetanbieter zur Speicherung und bei Bedarf zur Weitergabe umfassender persönlicher Daten ihrer Nutzer (vgl. Kharuk/Litvinenko 2016). Ende 2019 folgte ein Gesetz über ein „Souveränes Internet“, das es der russischen Regierung ermöglichen soll, das Land im Extremfall vom restlichen Internet abzukapseln. Inwieweit diese beiden Gesetze technisch implementierbar sind, ist jedoch umstritten.

Eine Woche nach der russischen Invasion in die Ukraine hat Russland angekündigt, die Social-Media-Plattform Facebook im Land sperren zu wollen. Inzwischen sind Facebook und Instagram, deren Mutterkonzern Meta im März 2022 gerichtlich als „extremistisch“ verurteilt wurde, verboten. Außerdem blockiert die russische Medienaufsichtsbehörde Google News.

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