75 Jahre NATO - Geschichte

Ein politisch-militärisches Bündnis im Wandel der Zeit

Vom 9. bis 11. Juli 2024 feiert die NATO bei einem Gipfeltreffen in Washington ihr 75-jähriges Bestehen. Das Verteidigungsbündnis NATO basiert auf einer politisch-militärischen Struktur. Während die politische Ebene für die Strategie und politische Ausrichtung des Bündnisses maßgeblich ist, finden sich auf der militärischen Ebene die Kommando- und Streitkräftestrukturen, die Einsätze und Missionen koordinieren und umsetzen. Dieser Beitrag zeigt auf, wie die Strukturen der NATO über den Zeitraum ihrer Geschichte gewachsen sind und sich mit wachsender Mitgliederzahl, aber auch angesichts veränderter strategischer Überlegungen ausdifferenzierten. Dabei führten Zäsuren wie das Ende des Kalten Krieges oder die neue Phase des internationalen Terrorismus zu Beginn des 21. Jahrhunderts zu Umstrukturierungen und Veränderungen im Bündnis, die sich auf die verschiedenen Organisationsbereiche niederschlugen.

Wenn die Staats- und Regierungschefs der NATO im Juli den 75. Geburtstag des Bündnisses feiern werden, wird sich im Vergleich zu den Anfangsjahren der NATO vieles verändert haben. Vor allem die geographische Reichweite des Bündnisses hat sich drastisch vergrößert. Die NATO zählt 32 Mitgliedstaaten. Sie unterhält Partnerschaften mit Ländern, die so weit voneinander und von Europa entfernt sind wie Kolumbien und Japan. Die militärischen Befehlshaber der NATO sind für Operationen und Aktivitäten von Finnland und den baltischen Staaten im Nordosten bis hin zu Irak im Süden verantwortlich. Und der blutigste Krieg, den die NATO je geführt hat, fand nicht in den Wäldern an der innerdeutschen Grenze statt, sondern in den Ausläufern des afghanischen Hindukusch-Gebirges. Diplomaten und Offiziere, die in den 1950er Jahren in der NATO dienten, würden jedoch auch viele der Institutionen der NATO wiedererkennen: den Nordatlantikrat und das ihm untergeordnete Ausschusssystem, den Generalsekretär und den Internationalen Stab, die auf Konsens beruhende Beschlussfassung oder das integrierte militärische Kommando der NATO mit dem Supreme Allied Commander Europe an der Spitze.

In diesem Beitrag soll die Geschichte des „Maschinenraums“ der NATO erzählt werden, wobei zunächst dargelegt wird, wie die politisch-militärische Struktur heute funktioniert, bevor auf seine historische Entwicklung und die zugrundeliegenden geopolitischen Faktoren eingegangen wird.

Autoren:

Studienrat Markus Pilster ist Lehrkraft für Internationale Politik, Politik und Gesellschaft, Geschichte.

Dr. Ulrich Pilster ist Referent in der Operationsabteilung der NATO.

NATO - Wissenswertes

Aktuelle Gipfeltreffen, Beschlüsse, Erweiterungen, Aufrüstung und mehr

Unser NATO Dossier hält über die aktuellen Trefffen auf NATO-Ebene auf dem laufenden und informiert über aktuelle Beschlüsse sowie Entwicklungen in Bezug auf Erweiterung, Truppenausbau und Aufrüstung des Bündnisses.

NATO-Dossier

 

 

Die politisch-militärische Struktur der NATO

Nach oben

Politische Struktur

Der Nordatlantikrat (auch kurz „Rat“ genannt) ist das „Herz“ der NATO und das wichtigste Entscheidungsgremium des Bündnisses. Er geht auf Artikel 9 des Nordatlantikvertrags zurück und kann auf verschiedenen Ebenen zusammentreten: von den Ständigen Vertreterinnen und Vertreter – Botschafterinnen und Botschafter in der NATO-Zentrale – über die Verteidigungs- und Außenministerinnern und -minister bis hin zu den Staats- und Regierungschefs.

Gegenwärtig treffen sich die NATO-Verteidigungsministerinnen und -minister formell dreimal pro Jahr, im Februar, Juni und Oktober, während die Außenministerinnen und -minister zweimal, im April und Dezember, zusammenkommen. Ein informelles Außenministertreffen findet im Mai oder Juni statt, und Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs sind zu regelmäßigen jährlichen Ereignissen im Sommer geworden. Die Verteidigungsministerinnen und -minister der NATO, mit Ausnahme Frankreichs, treffen sich auch regelmäßig in der Nuklearen Planungsgruppe (Nuclear Planning Group), dem ranghöchsten Gremium für Nuklearfragen, das dem Rat gleichgestellt ist.

Artikel 9 bildet auch die Grundlage des Netzwerks von einigen hundert Bündnisausschüssen, die dem Rat unterstehen. In diesen Gremien geht das Kerngeschäft der NATO vonstatten: Die Bündnispartner kommen zusammen, um Informationen auszutauschen, zu konsultieren und Entscheidungen im Konsens zu treffen. Ein Primus inter Pares des Ausschussnetzes ist der Ausschuss der Stellvertretenden Ständigen Vertreter (Deputy Permanent Representatives Committee). Die verbleibenden Bündnisausschüsse sind thematisch gegliedert, und die wichtigsten von ihnen sind direkt dem Rat unterstellt. Zu diesen federführenden Ausschüssen gehören der Ausschuss für Verteidigungspolitik und -planung (Defence Policy and Planning Committee) als ranghöchstes Beratungsgremium in Verteidigungsfragen, der Ausschuss für Operationspolitik (Operations Policy Committee), der für die Entwicklung und Umsetzung der Politik im Zusammenhang mit Operationen zuständig ist, oder der Ausschuss für Partnerschaften und kooperative Sicherheit (Partnerships and Corative Security Comittee), der für die Beziehungen der NATO zu Nichtmitgliedstaaten und anderen internationalen Organisationen verantwortlich ist.

Die Arbeit des Rates und seiner Ausschüsse wird durch den Generalsekretär ermöglicht, der drei Hauptaufgaben erfüllt: Erstens führt er den Vorsitz im Nordatlantikrat und in den wichtigsten Ausschüssen. Dieser Vorsitz umfasst die Vorbereitung und Leitung der Diskussionen, die Erleichterung der Entscheidungsfindung und die Sicherstellung der Umsetzung. Zweitens ist er der Sprecher, der das Bündnis in der Öffentlichkeit im Namen der Bündnispartner vertritt. Und schließlich leitet er das zivile Sekretariat der NATO, den Internationalen Stab. Der Internationale Stab wiederum arbeitet eng mit den nationalen Delegationen in der NATO-Zentrale zusammen, um die konsensorientierte Entscheidungsfindung der Bündnisausschüsse zu unterstützen. Seit 1. Oktober 2014 hat dieses Amt Jens Stoltenberg, zuvor Ministerpräsident von Norwegen, inne. Seine Nachfolge wird Jens Rutte, langjähriger niederländischer Regierungschef, im Oktober 2024 antreten.

 

Militärische Struktur

An der Spitze der militärischen Hierarchie der NATO steht der Militärausschuss, der vom Nordatlantikrat auf seiner allerersten Tagung im Oktober 1949 in Washington eingesetzt wurde. Entsprechend dem Charakter der NATO als politisch-militärisches Bündnis gibt der Rat dem Militärausschuss politische Leitlinien. Der Militärausschuss wiederum ist dem Rat gegenüber für die Führung der militärischen Angelegenheiten verantwortlich, gibt militärischen Ratschlag und ist weisungsbefugt für ihm untergeordnete militärischen Einrichtungen. Wie der Rat tritt auch der Militärausschuss in verschiedenen Formaten zusammen, zum Beispiel drei Mal pro Jahr in Sitzungen der Generalstabschefs, in der „ständigen“ Sitzung der ständigen militärischen Vertreter in der NATO-Zentrale oder in verschiedenen Arbeitsgruppen. An der Spitze sitzt der Vorsitzende des Militärausschusses (Chair of the Military Committee, CMC), dessen Aufgabe darin besteht, die Sitzungen des Militärausschusses einzuberufen und vorzubereiten und als Sprecher zu fungieren.

Der Internationale Militärstab (IMS) unterstützt den Militärausschuss, indem er militärische Entscheidungsvorlagen erarbeitet und die Umsetzung von Maßnahmen und Beschlüssen sicherstellt. Der IMS wird von einem Drei-Sterne-General geleitet, dem Generaldirektor des Internationalen Militärstabs.

Die NATO hat zwei militärstrategische Befehlshaber: den Obersten Alliierten Befehlshaber Europa (Supreme Allied Command Europe, SACEUR) und den Obersten Alliierten Befehlshaber Transformation (Supreme Allied Command Transformation, SACT). Sie sind gegenüber dem Militärausschuss für die Gesamtleitung und Durchführung aller militärischen Angelegenheiten in ihren Kommandobereichen verantwortlich. SACT – eine Position, die seit 2009 von französischen Vier-Sterne-Generälen bekleidet wird – ist für die Transformation der Streitkräfte und Fähigkeiten des Bündnisses zuständig. SACEUR – seit Beginn ein amerikanischer Vier-Sterne-Posten – befehligt die militärischen Operationen der Allianz, einschließlich der ihnen zugewiesenen Truppen. Im Kriegsfall gibt der Militärausschuss dem SACEUR auf der Grundlage politischer Vorgaben strategische Leitlinien für die Kriegsführung vor, während der SACEUR die Verantwortung für die Durchführung der Operationen trägt.

Das Alliierte Kommando Operationen des SACEUR umfasst derzeit ein strategisches militärisches Hauptquartier, das Oberste Hauptquartier der Alliierten Mächte Europa (Supreme Headquarters Allied Powers Europe, SHAPE), drei operative Joint Force Commands in Brunssum, Neapel und Norfolk, die jeweils spezifische regionale Zuständigkeiten haben, sowie untergeordnete Luft-, Land- und Seekommandos und Kommandos zur Unterstützung und Befähigung. Außerhalb der NATO-Kommandostruktur, aber durchaus in ihrem Zuständigkeitsbereich, befindet sich die NATO-Streitkräftestruktur: verbündete nationale und multinationale Streitkräfte und Hauptquartiere (wie zum Beispiel das Hauptquartier des Deutsch-Niederländischen Korps in Münster), die dem Bündnis unter bestimmten Bereitschaftskriterien zur Verfügung stehen.

 

Entscheidungsfindung

Die Beschlüsse der NATO werden im Konsens gefasst. Sie manifestieren sich in erster Linie in Dokumenten, über die sich die Vertreter der Alliierten zunächst in den nachgeordneten Ausschüssen einigen und deren Empfehlungen dann dem Rat zur Beschlussfassung vorgelegt werden. Den Vorsitz in den Sitzungen führt in der Regel der Internationale Stab (bis zur Ebene des Generalsekretärs). NATO-Dokumente werden von den Bündnispartnern normalerweise im Rahmen eines „Verschweigens“ angenommen: Ein Dokument gilt als angenommen, wenn kein Alliierter das Schweigen bricht.

In der Praxis erstellen die politischen und militärischen Gremien der NATO tagtäglich eine Vielzahl unterschiedlicher Dokumente. Üblicherweise unterbreiten eines oder beide militärstrategischen Kommandos einen Vorschlag, auf dessen Grundlage sich die Bündnispartner im Militärausschuss auf einen militärischen Ratschlag und in einem der zivilen Ausschüsse auf einen anschließenden politisch-militärischen Ratschlag einigen. Der konsolidierte politisch-militärische Ratschlag wird dann dem Nordatlantikrat zur (zumindest in Teilen) Genehmigung vorgelegt. Für komplexere Entscheidungen haben die NATO-Staaten spezielle Verfahren eingerichtet und vereinbart, wie z. B. das NATO-Krisenreaktionssystem (das einen Prozess zur Planung militärischer Operationen umfasst) oder den NATO- Verteidigungsplanungsprozess (bei dem es um die Ermittlung, Entwicklung und Beschaffung der erforderlichen Fähigkeiten geht).

Übergeordnete NATO-Dokumente, insbesondere strategische Konzepte und Gipfelerklärungen, bringen die strategische Ausrichtung des Bündnisses zum Ausdruck. Die strategischen Konzepte des Bündnisses sitzen gleich unterhalb der Ebene des Washingtoner Vertrags, und die NATO hat im Laufe ihrer Geschichte insgesamt acht solcher Konzepte erstellt: 1949, 1952, 1957, 1968, 1991, 1999, 2010 und 2022. Strategische Konzepte dienen dazu, die zentralen Werte und Ziele des Bündnisses zu bekräftigen, eine kollektive Bewertung des Sicherheitsumfelds vorzunehmen und die politisch-militärische Entwicklung der NATO zu steuern (vgl. dazu auch den Beitrag von Sven Bernhard Gareis in dieser Ausgabe). Darüber hinaus hat die Zahl der Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der NATO erheblich zugenommen, wobei die begleitende Gipfelerklärung sowohl das allgemeine Sicherheitsumfeld als auch verschiedene Aspekte der Aktivitäten des Bündnisses behandelt.

 

Die Anfänge: Vom Nordatlantikvertrag zur Organisation

Der im April 1949 unterzeichnete Nordatlantikvertrag ist ein kurzes Dokument, aber er legt die Themen fest, auf denen das Bündnis seither beruht. 4 Im Mittelpunkt steht Artikel 5, in dem die Bündnisparteien vereinbaren, „dass ein bewaffneter Angriff gegen einen oder mehrere von ihnen in Europa oder Nordamerika als ein Angriff gegen sie alle angesehen wird; sie vereinbaren daher, dass im Falle eines solchen bewaffneten Angriffs jede von ihnen […] der Partei oder den Parteien, die angegriffen werden, Beistand leistet, indem jede von ihnen unverzüglich für sich und im Zusammenwirken mit den anderen Parteien die Maßnahmen, einschließlich der Anwendung von Waffengewalt, trifft, die sie für erforderlich erachtet, um die Sicherheit des nordatlantischen Gebiets wiederherzustellen und zu erhalten.“  Aber das ist noch nicht alles: In der Präambel werden die Werte Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit bekräftigt; Artikel 2 schafft die Grundlage für die nichtmilitärische Zusammenarbeit zwischen den Bündnispartnern; Artikel 3 regelt die Verteidigungsplanung; Artikel 4 die Konsultationen im Krisenfall; Artikel 9 sieht einen Rat vor und Artikel 10 die „Politik der offenen Tür“ der NATO gegenüber neuen Mitgliedern.

Der Nordatlantikvertrag bildete somit einen Rahmen für die transatlantische Sicherheitszusammenarbeit, doch die NATO als Organisation musste noch aufgebaut werden. Die Arbeit begann, als die Außenminister am 17. September 1949 in Washington zum ersten Mal als Nordatlantikrat zusammenkamen. Sie schufen einen Verteidigungsausschuss, der sich aus den Verteidigungsministern der NATO-Staaten zusammensetzte; einen Militärausschuss, der sich aus den Generalstabschefs oder ihren Vertretern bildete und eine ständige militärische Gruppe aus Frankreich, dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten, die die Arbeit des Militärausschusses erleichtern sollte. Was die militärische Seite betrifft, so billigte der Verteidigungsausschuss im Dezember 1949 das erste Strategische Konzept der NATO. Darin deuten sich auch die beiden Ideen an, auf denen die Abschreckung der NATO beruht (bzw. zwischen denen sie hin und her schwankt): Abschreckung durch die Androhung von Bestrafung (punishment) durch Vergeltungsschläge,
insbesondere durch Atomwaffen; sowie Abschreckung durch die Verwehrung militärischer Erfolge im Konfliktfall in Form einer Verlegung und Verstärkung von Streitkräften, um jegliche feindliche Aggression durch eine vorwärtsgerichtete Verteidigung zu stoppen (denial)

Der Koreakrieg war ein maßgeblicher Anstoß für die weitere Entwicklung des Bündnisses. Als die nordkoreanischen Streitkräfte mit Unterstützung der Sowjetunion im Juni 1950 den 38. Breitengrad überquerten, waren sie ein weiterer Katalysator für die Institutionalisierung der NATO. 8 Zwar betraf der Angriff nicht direkt den Bündnisfall der NATO, aber er verdeutlichte das Ausmaß der sowjetischen Bedrohung auch in Europa. Der Nordatlantikrat beschloss daher Ende 1950, ein einheitliches militärisches Kommando mit integrierten Streitkräften zu schaffen. General Dwight D. Eisenhower wurde gebeten, den Posten des SACEUR zu übernehmen. Sein Hauptquartier, SHAPE, wurde im April 1951 aktiviert und hatte seinen Sitz zunächst in Paris. Unterhalb von SHAPE gab es eine Reihe von regional organisierten Hauptquartieren für Nordeuropa, Mitteleuropa, Südeuropa und Mittelmeer. Darüber hinaus wurde 1952 in den Vereinigten Staaten (in Norfolk, Virginia) ein zweites strategisches Kommando eingerichtet, das von einem Obersten Alliierten Befehlshaber Atlantik (Supreme Allied Commander Atlantic, SACLANT) geleitet wurde. SACLANT wurde mit der Aufgabe betraut, im Kriegsfall den Nachschub über den Atlantik zu sichern. Ein drittes großes NATO-Kommando, das Alliierte Kommando Channel (Allied Command Channel, ACCHAN), wurde mit der Aufgabe gegründet, den Ärmelkanal zu verteidigen. Es hatte seinen Sitz in Northwood, London, und wurde von einem britischen Admiral geleitet.

Auch die zivilen Strukturen der NATO verfestigten sich in diesen Jahren. Die 9. Tagung des Nordatlantikrats in Lissabon im Februar 1952 prägte die zivile institutionelle Struktur der NATO in ihrer heutigen Form. In Lissabon beschlossen die Minister u. a., dass der Rat nun ständig (d. h. in der Regel zweimal wöchentlich) zusammentreten sollte. Die Bündnispartner werden durch Ständige Vertreterinnen und Vertreter im Rang von Botschafterinnen und Botschaftern vertreten. Um den Rat bei seinen wachsenden Aufgaben zu unterstützen, setzten die Alliierten auch einen Generalsekretär ein, der den Vorsitz bei den Ratssitzungen übernehmen und ein ständiges internationales Sekretariat mit Sitz in Paris leiten sollte. Im März 1952 wurde der vormalige Stabschef von Winston Churchill, Lord Hastings Lionel Ismay, zum ersten NATO-Generalsekretär und stellvertretenden Vorsitzenden des Nordatlantikrats ernannt.

Nachdem Lord Ismay im Februar 1952 Zeuge der Verhandlungen der Alliierten in Lissabon geworden war, hatte er noch gewitzelt: „Dies ist das erste Mal, dass ich die NATO sehe, und Gott sei Dank auch das letzte Mal.“ Lord Ismay prägte dann aber, vielleicht auch aus der anfänglichen Erfahrung mit dem Bündnis, die Rolle des Generalsekretärs, unparteiisch auf Konsens bedacht und den internationalen Stab als Quelle unabhängigen Fachwissens nutzend. 12 Der Ruf als ehrlicher Makler, den er sich und damit auch der Internationale Stab erwarben, sollte sich 1956, kurz nach der Suezkrise, auszahlen, als die drei alliierten Außenminister Lester B. Pearson (Kanada), Gaetano Martino (Italien) und Halvard Lange (Norwegen) – sie wurden als die „drei Weisen“ bekannt – Vorschläge zur Verbesserung der politischen Konsultation und der Einheit der NATO vorlegten. Der Generalsekretär führt seitdem den alleinigen Vorsitz bei den Sitzungen des Nordatlantikrats, was auch das Recht einschließt, die Tagesordnung festzulegen.

 

Ab den 50er Jahren: Von Massiver Vergeltung zu flexibler Reaktion

Die Rolle der Kernwaffen stand im Mittelpunkt der Suche der NATO nach einer strategischen Orientierung in den 1950er und 1960er Jahren. Der Schwerpunkt der Abschreckungsstrategie der NATO verlagerte sich erstmals 1952. Da eine konventionelle Parität mit der Sowjetunion sich schwierig und kostspielig darstellte, verlagerten die Vereinigten Staaten unter Präsident Dwight D. Eisenhower ihre Abschreckungsstrategie auf Nuklearwaffen. Das Konzept der „Massiven Vergeltung“ war geboren. Im neuen Strategischen Konzept der NATO von 1957 (MC 14/2) wurde diese Realität anerkannt: „Da die NATO nicht in der Lage wäre, eine rasche Überrumpelung Europas zu verhindern, wenn sie nicht sofort Atomwaffen sowohl strategisch als auch taktisch einsetzte, müssen wir bereit sein, die Initiative für deren Einsatz zu ergreifen.“

Doch kaum war das neue Strategische Konzept der NATO von 1957, das auf massiver Vergeltung beruhte, geschaffen, gerieten seine Grundsätze ins Wanken. Im selben Monat testete die Sowjetunion ihre allererste ballistische Interkontinentalrakete, und weniger als ein halbes Jahr später folgte der Start des Sputnik-Satelliten. Eine neue strategische Realität war geboren: das sogenannte „Gleichgewicht des Schreckens“. Dies stellte die Glaubwürdigkeit des nuklearen Schutzschirms der Vereinigten Staaten über Westeuropa in Frage: Wie viel Risiko war Washington bereit einzugehen, da sowjetische Atomwaffen nun auch die Vereinigten Staaten erreichen konnten? Nachdem die Krisen um Berlin und Kuba die Welt an den Rand des nuklearen Abgrunds gebracht hatten, wurden die Entscheidungsträger noch misstrauischer gegenüber einer Doktrin der „Massiven Vergeltung“ und suchten stattdessen nach neuen Wegen der Entspannung.

Die NATO brauchte den größten Teil der 1960er Jahre, um sich mit dieser neuen Realität zu arrangieren, was nachhaltige Auswirkungen auf das Bündnis und seine Institutionen hatte. Vorschläge, die Nuklearstreitkräfte der NATO unter das Kommando des SACEUR zu stellen, scheiterten am Widerstand in London und Paris. 16 Stattdessen setzte sich allmählich die Idee durch, die Ausschussstruktur der NATO zu nutzen, um die Koordinierung des Bündnisses zu verbessern. Auf ihrer Tagung im Dezember 1966 beschlossen die Verteidigungsminister der NATO, neue Gremien für die nukleare Planung einzurichten, nämlich den Ausschuss für nukleare Verteidigungsangelegenheiten und die ihm untergeordnete Nukleare Planungsgruppe.


Unterdessen hatte sich Frankreich unter der Führung von General Charles de Gaulle seit den späten 1950er Jahren immer weiter von der NATO entfernt. Da der französische Präsident die Hegemonie der USA ablehnte, aber auch Zweifel an deren Sicherheitsverpflichtungen hegte, beschloss Frankreich 1966, sich aus deren integrierten Kommandostruktur der NATO zurückzuziehen. 18 Die NATO passte sich einmal mehr an. Sowohl das NATO-Hauptquartier als auch SHAPE verlegten ihre Sitze nach Belgien, das erste nach Brüssel und das zweite nach Mons. Der Militärausschuss zog seinerseits von Washington nach Brüssel um. Die Ständige Gruppe, die den Militärausschuss unterstützt hatte und aus Frankreich, dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten bestand, wurde aufgelöst. Stattdessen richtete die NATO ein für alle Allierten offenstehendes Sekretariat für den Militärausschuss ein, den Internationalen Militärstab. Auf politischer Ebene schließlich mussten sich die Bündnispartner auf die Tatsache einstellen, dass Frankreich nur aus den militärischen Strukturen der NATO, nicht aber aus dem Bündnis als solchem ausgetreten war. Die Lösung lag im Verteidigungsplanungsausschuss, der ohne Frankreich tagte, auf die Ebene des Nordatlantikrats gehoben wurde und sich mit allen Fragen im Zusammenhang mit der integrierten Kommandostruktur der NATO befasste. Frankreich war damit zwar nicht mehr an der militärischen Entscheidungsfindung der Allianz beteiligt, behielt aber seinen Sitz im Rat und blieb ein „politisches“ Mitglied der NATO, welches weiterhin durch Artikel 5 abgedeckt wurde.

Der Austritt Frankreichs aus dem militärischen Entscheidungsprozess der NATO bildete auch die Grundlage für eine neue Strategie der flexiblen Reaktion. Das Strategische Konzept vom Januar 1968 rückte von massiver Vergeltung ab und betonte die „Flexibilität, die den potenziellen Aggressor daran hindert, die spezifische Antwort der NATO auf eine Aggression mit Sicherheit vorherzusehen“. Das Konzept unterschied zwischen drei Arten der militärischen Reaktion, die der NATO zur Verfügung standen: „direkte Verteidigung“ auf der Ebene der gegnerischen Aggression, „gezielte Eskalation“ also „Erhöhung, aber, wo möglich, Kontrolle […] des Umfangs und der Intensität der Kampfhandlungen“ – und „allgemeine nukleare Reaktion“. 20 Auf der politischen Seite legte der Bericht des Rates über die künftigen Aufgaben des Bündnisses (auch bekannt als Harmel-Bericht, benannt nach dem belgischen Außenminister Pierre Harmel, der die Bemühungen initiiert hatte) zwei Hauptaufgaben für das Bündnis fest: Abschreckung und Verteidigung durch militärische Stärke und politische Solidarität, aber auch Entspannung mit dem Ostblock durch den Aufbau stabiler Beziehungen.

Die institutionelle Struktur der NATO aus den späten 1960er Jahren sollte bis zum Ende des Kalten Krieges weitgehend unverändert bleiben. Es bedurfte des Zusammenbruchs der Sowjetunion, um die nächste Anpassungsrunde der NATO einzuleiten.

1990er Jahre: Das Ende des Kalten Krieges und die Balkankonflikte

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion schwand die Bedeutung der klassischen Landesverteidigung in der NATO. Sein neues Aufgabenfeld fand das Bündnis in der Folge im Krisenmanagement in zerfallenden Staaten22 : Nach dem Zusammenbruch Jugoslawiens wurde die NATO ab 1992 zunächst im Rahmen der Operationen Maritime Monitor und Maritime Guard tätig, um das Waffenembargo der Vereinten Nationen (VN) gegen Serbien in der Adria durchzusetzen. 1993 folgte die Operation Deny Flight zur Durchsetzung einer Flugverbotszone über Bosnien-Herzegowina, ehe das Bündnis nach den Ereignissen von Srebrenica 1995 im Rahmen der Operationen Deadeye und Deliberate Force Luftschläge gegen Serbien unternahm. Nach dem Abkommen von Dayton stationierte die NATO im Auftrag der VN eine Implementation Force von 60 000 Soldaten sowie darauffolgend eine Stabilization Force von 32 000 Soldaten in Bosnien. 1999 erfolgte schließlich im Rahmen des Kosovo-Konflikts die Operation Allied Force gegen Serbien – diesmal allerdings ohne VN-Mandat –, gefolgt von der friedenssichernden Kosovo Force (KFOR) mit anfangs 50 000 Soldaten.

Parallel zu diesen Ereignissen entstand 1991 ein neues Strategisches Konzept des Bündnisses: Die Allianz ließ das Konzept der vorwärtsgerichteten Verteidigung in den Hintergrund rücken. Ein kalkulierter Angriff auf das Bündnis wurde nun nicht mehr als Hauptbedrohung gesehen, sondern instabile Verhältnisse in Ost- und Mitteleuropa, die auf wirtschaftliche, soziale und politische Probleme zurückzuführen waren. Fünf Aufgaben wurden als Teil eines breiten Sicherheitsansatzes beschrieben: der Schutz des Friedens in Europa; Dialog; Kooperation; kollektive Verteidigung; und Krisenmanagement und Konfliktverhinderung.

Die militärische Struktur der NATO wurde ebenfalls reorganisiert: Bereits 1991 wurde das Allied Command Europe (ACE) stark reduziert und 1994 wurde das Alliierte Kommando Channel (ACC) aufgelöst.24 Vor dem Hintergrund des Jugoslawienkonflikts wurde 1994 auf dem Gipfel in Brüssel eine Langzeitstudie zur Reorganisation der Kommandostruktur in Auftrag gegeben. Lag der Fokus des Bündnisses im Kalten Krieg noch auf den osteuropäischen Gebieten nördlich der Alpen, wollte man nun dem Süden dieselbe Aufmerksamkeit zukommen lassen. 25 Somit wurde ACE in den Jahren 1999/2000 nochmals umstrukturiert: Die bisher drei existierenden Kommandos wurden ersetzt durch zwei, das Regional Headquarters Allied Forces North Europe mit Sitz in Brunssum in den Niederlanden sowie das Regional Headquarters Allied Forces Southern Europe in Neapel in Italien. Unterstanden den Kommandos bisher Luft-, See- und Bodenstreitkräfte getrennt voneinander, wurde nun dem gewachsenen Fokus auf verbundenen Operationen Rechnung getragen. Combined Joined Task Forces (CJTF) sollten flexibel multinationale, teilstreitkraftübergreifende Operationen auch abseits der Verteidigung des NATO-Bündnisgebietes durchführen können.

Im Jahr 1999 wurde das zweite Strategische Konzept der NATO seit Ende des Kalten Krieges veröffentlicht. Neben der kollektiven Verteidigung sah das Konzept vor, dass NATO-Einsätze vermehrt auch jenseits der unmittelbaren Grenzen des Bündnisses erfolgen sollten, falls durch dort herrschende ethnische Konflikte, Menschenrechtsverletzungen und fragile wirtschaftliche oder politische Verhältnisse die Stabilität und Sicherheit der NATO gefährdet würden. Ähnlich wie im Konzept von 1991 stand nun also vermehrt Krisenmanagement im Fokus. Darüber hinaus betonte das neue Konzept, dass die NATO offen stand für weitere neue Mitglieder 27 , nachdem Anfang 1999 Polen, Tschechien und Ungarn beigetreten waren. Dies ebnete den Weg für die Beitritte Bulgariens, Estlands, Lettlands, Litauens, Rumäniens, der Slowakei und Sloweniens 2004 sowie schließlich auch Albaniens und Kroatiens 2009.

2000er Jahre: Der Krieg gegen den Terrorismus

Die Angriffe von al-Qaida auf die USA vom 11. September 2001 veränderten die Struktur der NATO grundlegend. Ein Jahrzehnt nach dem Zusammenbruch des Ostblocks sah sich das Bündnis einer neuen Bedrohung gegenüber. Als Reaktion riefen die NATO-Alliierten zum ersten Mal in der Geschichte der Allianz den Bündnisfall nach Artikel 5 aus. Nach dem Sturz der Talibanführung in Afghanistan über- nahm die NATO 2003 die Führung der International Security Assistance Force (ISAF) zum Zweck der Landessicherung und des Wiederaufbaus im Land. Wenige Jahre später würde die Dimension der ISAF alle anderen bisherigen NATO-Operaionen übersteigen: mehr als 130 000 Soldatinnen und Soldaten aus 51 NATO- und Partnerländern, die sich einer breiten Palette militärischer und nichtmilitärischer Herausforderungen stellten.

Der veränderten Bedrohungslage trug der NATO-Gipfel im November 2002 in Prag Rechnung. Die Staats- und Regierungschefs der NATO-Mitgliedstaaten verkündeten eine „Umgestaltung und Anpassung der NATO […] als Zeichen unserer Entschlossenheit, unsere Bevölkerung, unser Territorium und unsere Streitkräfte vor jedem bewaffneten Angriff zu schützen, […], auch vor Terroranschlägen“ 28 . Zusätzlich zu einer Verschlankung der politischen Struktur der NATO – die Anzahl der Ausschüsse im NATO-Hauptquartier wurde deutlich reduziert – sollte die militärische Struktur der NATO in die Lage versetzt werden, schnell Streitkräfte dorthin zu verlegen, wo sie benötigt werden. Dies beinhaltete neue NATO-Reaktionskräfte, die NATO Response Force.29 Der Gipfel in Prag veranlasste die Schaffung zweier strategischer Kommandos der NATO: zum einen das Allied Command Transformation (ACT) mit Hauptsitz in den USA, zum anderen Allied Command Operations (ACO) mit Hauptsitz in Belgien. Dem Verantwortungsbereich des ACT oblag von nun an die „Umgestaltung der militärischen Fähigkeiten und die Förderung der Interoperabilität der NATO-Streitkräfte“ 30 . Das ACO wiederum war von nun an zuständig für alle weltweiten Operationen der NATO, welche von SHAPE aus unter dem SACEUR geleitet werden sollten.

Auf operativer Ebene bedeutete diese Umstrukturierung, dass zwei Joint Force Commands (JFC) geschaffen wurden: Aus dem Regional Command Allied Forces North Europe (RCAFNORTH) wurde das JFC Brunssum in den Niederlanden; aus dem Allied Forces Southern Europe (AF South) wurde das JFC Naples in Italien. Durch diese Maßnahmen waren die Kommandostrukturen der NATO nun nicht mehr regional gebunden, was die Flexibilität für Operationen außerhalb des Bündnisgebiets erhöhen sollte.

Das neue Strategische Konzept von 2010 berücksichtigte diese weltweite Ausrichtung, trug aber auch einer seit 2008 verstärkt aggressiven russischen Außenpolitik Rechnung. Um den Sicherheitsinteressen der neuen Mitglieder aus Osteuropa Rechnung zu tragen, wurde die Aufgabe der Kollektivverteidigung wieder stärker betont. Gleichzeitig verankerte das Konzept auch Krisenmanagement und kooperative Sicherheit als die beiden anderen Kernaufgaben der NATO. Ebenso wurde ein Ausbau der politischen Konsultationen sowie der praktischen Kooperation mit Russland forciert. Der ambivalente Charakter des Konzepts zeigt sich auch in der Selbstdefinition der NATO: Sie sah sich nun als ein euroatlantisches Bündnis, für das die globale Sicherheitslage von Bedeutung ist, sowie als eine Sicherheitsorganisation sowohl politischen als auch militärischen Charakters.

 

Anpassung an neue alte Bedrohungen nach 2014

Während der 1990er und der 2000er Jahre wurde der „klassische“ Konflikt zwischen einzelnen Staaten oder Blöcken in den Hintergrund gedrängt. Das Ende des groß angelegten Engagements der NATO in Afghanistan, vor allem aber das Vorgehen Russlands in der Ukraine brachten Abschreckung und Verteidigung wieder auf die Tagesordnung der NATO.

Auf dem Gipfeltreffen in Wales 2014 bestand die erste Reaktion der NATO-Bündnispartner auf das veränderte Sicherheitsumfeld in einem Readiness Action Plan. Im Hinblick auf ihre Reaktionsfähigkeit bei einer plötzlichen Krise an der Ostflanke bemühten sich die Bündnispartner um eine Anpassung der militärischen Strukturen der NATO. Der Umfang der NATO-Reaktionskräfte wurde verdreifacht und durch eine Very High-Readiness Joint Task Force ergänzt – eine neue militärische „Speerspitze“ mit sehr hoher Einsatzbereitschaft, die innerhalb weniger Tage verlegt werden kann. 32

Zwei Jahre später, auf dem NATO-Gipfel in Warschau im Jahr 2016, beschlossen die Staats- und Regierungschefs dann, eine enhanced Forward Presence in Estland, Lettland, Litauen und Polen einzurichten, d. h. eine ständige Präsenz von Bataillonen, die durch ein tragfähiges Verstärkungskonzept gestützt wird. Deutschland hat seit 2017 die Führung als Rahmennation für die verstärkte Vorwärtspräsenz in Litauen übernommen. 33 Auf ihrer Tagung im Februar 2018 haben die Verteidigungsminister der NATO-Staaten dann entschieden, zwei zusätzliche Kommandos einzurichten, um die Ostflanke der NATO im Konfliktfall schnell verstärken zu können: das Joint Force Command Norfolk in den Vereinigten Staaten und das Joint Support and Enabling Command in Ulm, Deutschland. Ersteres hat die Aufgabe, die existentielle Verbindung der NATO über den Atlantik zu sichern; letzteres würde den rückwärtigen Bereich der NATO und die Bewegung der NATO-Truppen in Europa abdecken. Auch die beiden anderen Joint Force Commands in Brunssum und Neapel erhielten wieder eine stärker regionale Ausrichtung.


Der vollständige Einmarsch Russlands in die Ukraine im Februar 2022 hat die militärische Anpassung der NATO weiter forciert. Auf dem Gipfeltreffen in Madrid im Juni 2022 haben die Staats- und Regierungschefs der NATO-Staaten eine neue „Baseline“ für die Abschreckungs- und Verteidigungsbereitschaft des Bündnisses gebilligt. Unter anderem wurde die Zahl der entlang der Ostflanke der NATO stationierten Gefechtsverbände von vier auf acht erhöht, wobei zusätzliche Gefechtsverbände in der Slowakei, Ungarn, Rumänien und Bulgarien aufgestellt wurden. Alle Gefechtsverbände lassen sich schnell auf Brigadeebene aufstocken, während Deutschland beschlossen hat, eine Brigade dauerhaft in Litauen zu stationieren. 35 Auf der Grundlage eines „Konzepts für die Abschreckung und Verteidigung des euro-atlantischen Raums“ haben die militärischen Behörden der NATO außerdem eine Reihe neuer Verteidigungspläne für den gesamten Zuständigkeitsbereich des Bündnisses entwickelt. Diese neuen Verteidigungspläne sind nicht nur die detailliertesten seit Ende des Kalten Krieges, sie sind auch eng mit den nationalen Verteidigungsplänen der Alliierten koordiniert und von einem entsprechend zugeordneten Streitkräftedispositiv unterlegt.

In Anbetracht der neuen Realität haben die Bündnispartner auf dem Madrider Gipfel auch ein neues Strategisches Konzept gebilligt, das achte Dokument der NATO dieser Art. Das Dokument spricht eine klare Sprache: Es stellt fest, dass „die Möglichkeit eines Angriffs auf die Souveränität und territoriale Integrität der NATO-Staaten“ nicht ausgeschlossen werden kann. Während der Terrorismus als „unmittelbarste asymmetrische Bedrohung für die Sicherheit unserer Bürger und für Frieden und Wohlstand in der Welt“ eine wichtige Rolle spielt, sind die Worte über die Russische Föde ration noch deutlicher: Russland wird als „die bedeutendste und unmittelbarste Bedrohung für die Sicherheit der Bündnispartner und für Frieden und Stabilität im euro-atlantischen Raum“ eingestuft.

Ähnlich wie im Strategischen Konzept von 2010 werden der NATO drei Kernaufgaben zugeschrieben: Abschreckung und Verteidigung, Krisenprävention und -bewältigung sowie kooperative Sicherheit. Der Schwerpunkt des Dokuments liegt jedoch eindeutig auf Abschreckung und Verteidigung als „Rückgrat unserer Verpflichtung nach Artikel 5, uns gegenseitig zu verteidigen“. Zudem stellt das Konzept alle drei Kernaufgaben in den Dienst der kollektiven Verteidigung des Bündnisses.

Strategisch ist die NATO also in vielerlei Hinsicht wieder näher an der Ausrichtung, die sie 1949 hatte, als das noch 2010 der Fall war. Nachdem Krisenmanagement außerhalb des Bündnisgebietes die NATO von 1992 bis 2014 dominierte, steht Kollektivverteidigung wieder deutlich im Zentrum der Allianz. Institutionell kann sich die Allianz auf eine über 75 Jahre gewachsene zivile und militärische Strukturen verlassen.

Nach oben

Anmerkung:

Die von den Autoren geäußerten Ansichten sind ihre eigenen und stellen nicht die offizielle Position der NATO oder ihrer Mitgliedstaaten dar.

Kriege in Europa

Zu welchen Kriegen kam es in Europa seit Ende des Zweiten Weltkrieges?

Kriege und Konflikte

Wie kam es zum Kalten Krieg? Wie zum Fall des Eisernen Vorhangs und den Wendejahren?

Revolutionen und Umbrüche

Nach oben

Lesen Sie weiter....

Unsere Europa-Portale

Europa

Wissen und Unterrichtsmaterialien

Wie ist die EU aufgebaut? Welche Organe und Institutionen spielen eine tragende Rolle? Welche Länder gehören zur EU? Mit welchen Herausforderungen beschäftigt sich das europäische Bündnis derzeit? Und wo finden Lehrkräfte Unterrichtsmaterialien zum Thema Europa? Unser Europa-Portal liefert Informationen und Materialien.

Europa - Wissen und Materialien

Osteuropa

Politische Landeskunde

Welche Staaten gehören zu Osteuropa? Was passierte nach der Auflösung der Vielvölkerstaaten Sowjetunion und Jugoslawien? Wo kommt es zu Konflikten? Welche Länder gehören inzwischen zur EU? Informationen über die Landeskunde sowie aktuelle politische Entwicklungen zu rund 25 Ländern der Regionen Baltikum, Ostmitteleuropa, Südosteuropa sowie den Staaten der Östlichen Partnerschaft.

Infoportal östliches Europa

Wahlen

Europawahl 2024

Wie funktioniert das europäische Wahlsystem? Welche Reformen stehen zur Debatte?  Wer wird bei einer Europawahl überhaupt gewählt? Welche Parteien treten an mit welchen Wahlprogrammen? Wer liegt in Umfragen vorne? Unser Wahlportal liefert alle wichtigen Informationen zur Europawahl 2024.

Europawahl 2024

Cookieeinstellungen
X

Wir verwenden Cookies

Wir nutzen auf unseren Websites Cookies. Einige sind notwendig, während andere uns helfen, eine komfortable Nutzung diese Website zu ermöglichen. Einige Cookies werden ggf. für den Abruf eingebetteter Dienste und Inhalte Dritter (z.B. YouTube) von den jeweiligen Anbietern vorausgesetzt und von diesen gesetzt. Gegebenenfalls werden in diesen Fällen auch personenbezogene Informationen an Dritte übertragen. Bitte entscheiden Sie, welche Kategorien Sie zulassen möchten.