NATO - Organisation

Politische und militärische Struktur des Verteidigungsbündnisses

Die NATO basiert auf einer politisch-militärischen Struktur. Während die politische Ebene für die Strategie und politische Ausrichtung des Bündnisses maßgeblich ist, finden sich auf der militärischen Ebene die Kommando- und Streitkräftestrukturen, die Einsätze und Missionen koordinieren und umsetzen. Wie funktioniert die politisch-militärische Struktur?

Autoren:

Studienrat Markus Pilster ist Lehrkraft für Internationale Politik, Politik und Gesellschaft, Geschichte.

Dr. Ulrich Pilster ist Referent in der Operationsabteilung der NATO.

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Unser NATO Dossier hält über die aktuellen Trefffen auf NATO-Ebene auf dem laufenden und informiert über aktuelle Beschlüsse sowie Entwicklungen in Bezug auf Erweiterung, Truppenausbau und Aufrüstung des Bündnisses.

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Politische Struktur

Der Nordatlantikrat (auch kurz „Rat“ genannt) ist das „Herz“ der NATO und das wichtigste Entscheidungsgremium des Bündnisses. Er geht auf Artikel 9 des Nordatlantikvertrags zurück und kann auf verschiedenen Ebenen zusammentreten: von den Ständigen Vertreterinnen und Vertreter – Botschafterinnen und Botschafter in der NATO-Zentrale – über die Verteidigungs- und Außenministerinnern und -minister bis hin zu den Staats- und Regierungschefs.

Gegenwärtig treffen sich die NATO-Verteidigungsministerinnen und -minister formell dreimal pro Jahr, im Februar, Juni und Oktober, während die Außenministerinnen und -minister zweimal, im April und Dezember, zusammenkommen. Ein informelles Außenministertreffen findet im Mai oder Juni statt, und Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs sind zu regelmäßigen jährlichen Ereignissen im Sommer geworden. Die Verteidigungsministerinnen und -minister der NATO, mit Ausnahme Frankreichs, treffen sich auch regelmäßig in der Nuklearen Planungsgruppe (Nuclear Planning Group), dem ranghöchsten Gremium für Nuklearfragen, das dem Rat gleichgestellt ist.

Artikel 9 bildet auch die Grundlage des Netzwerks von einigen hundert Bündnisausschüssen, die dem Rat unterstehen. In diesen Gremien geht das Kerngeschäft der NATO vonstatten: Die Bündnispartner kommen zusammen, um Informationen auszutauschen, zu konsultieren und Entscheidungen im Konsens zu treffen. Ein Primus inter Pares des Ausschussnetzes ist der Ausschuss der Stellvertretenden Ständigen Vertreter (Deputy Permanent Representatives Committee). Die verbleibenden Bündnisausschüsse sind thematisch gegliedert, und die wichtigsten von ihnen sind direkt dem Rat unterstellt. Zu diesen federführenden Ausschüssen gehören der Ausschuss für Verteidigungspolitik und -planung (Defence Policy and Planning Committee) als ranghöchstes Beratungsgremium in Verteidigungsfragen, der Ausschuss für Operationspolitik (Operations Policy Committee), der für die Entwicklung und Umsetzung der Politik im Zusammenhang mit Operationen zuständig ist, oder der Ausschuss für Partnerschaften und kooperative Sicherheit (Partnerships and Corative Security Comittee), der für die Beziehungen der NATO zu Nichtmitgliedstaaten und anderen internationalen Organisationen verantwortlich ist.

Die Arbeit des Rates und seiner Ausschüsse wird durch den Generalsekretär ermöglicht, der drei Hauptaufgaben erfüllt: Erstens führt er den Vorsitz im Nordatlantikrat und in den wichtigsten Ausschüssen. Dieser Vorsitz umfasst die Vorbereitung und Leitung der Diskussionen, die Erleichterung der Entscheidungsfindung und die Sicherstellung der Umsetzung. Zweitens ist er der Sprecher, der das Bündnis in der Öffentlichkeit im Namen der Bündnispartner vertritt. Und schließlich leitet er das zivile Sekretariat der NATO, den Internationalen Stab. Der Internationale Stab wiederum arbeitet eng mit den nationalen Delegationen in der NATO-Zentrale zusammen, um die konsensorientierte Entscheidungsfindung der Bündnisausschüsse zu unterstützen. Seit 1. Oktober 2014 hat dieses Amt Jens Stoltenberg, zuvor Ministerpräsident von Norwegen, inne. Seine Nachfolge wird Jens Rutte, langjähriger niederländischer Regierungschef, im Oktober 2024 antreten.

 

Militärische Struktur

An der Spitze der militärischen Hierarchie der NATO steht der Militärausschuss, der vom Nordatlantikrat auf seiner allerersten Tagung im Oktober 1949 in Washington eingesetzt wurde. Entsprechend dem Charakter der NATO als politisch-militärisches Bündnis gibt der Rat dem Militärausschuss politische Leitlinien. Der Militärausschuss wiederum ist dem Rat gegenüber für die Führung der militärischen Angelegenheiten verantwortlich, gibt militärischen Ratschlag und ist weisungsbefugt für ihm untergeordnete militärischen Einrichtungen. Wie der Rat tritt auch der Militärausschuss in verschiedenen Formaten zusammen, zum Beispiel drei Mal pro Jahr in Sitzungen der Generalstabschefs, in der „ständigen“ Sitzung der ständigen militärischen Vertreter in der NATO-Zentrale oder in verschiedenen Arbeitsgruppen. An der Spitze sitzt der Vorsitzende des Militärausschusses (Chair of the Military Committee, CMC), dessen Aufgabe darin besteht, die Sitzungen des Militärausschusses einzuberufen und vorzubereiten und als Sprecher zu fungieren.

Der Internationale Militärstab (IMS) unterstützt den Militärausschuss, indem er militärische Entscheidungsvorlagen erarbeitet und die Umsetzung von Maßnahmen und Beschlüssen sicherstellt. Der IMS wird von einem Drei-Sterne-General geleitet, dem Generaldirektor des Internationalen Militärstabs.

Die NATO hat zwei militärstrategische Befehlshaber: den Obersten Alliierten Befehlshaber Europa (Supreme Allied Command Europe, SACEUR) und den Obersten Alliierten Befehlshaber Transformation (Supreme Allied Command Transformation, SACT). Sie sind gegenüber dem Militärausschuss für die Gesamtleitung und Durchführung aller militärischen Angelegenheiten in ihren Kommandobereichen verantwortlich. SACT – eine Position, die seit 2009 von französischen Vier-Sterne-Generälen bekleidet wird – ist für die Transformation der Streitkräfte und Fähigkeiten des Bündnisses zuständig. SACEUR – seit Beginn ein amerikanischer Vier-Sterne-Posten – befehligt die militärischen Operationen der Allianz, einschließlich der ihnen zugewiesenen Truppen. Im Kriegsfall gibt der Militärausschuss dem SACEUR auf der Grundlage politischer Vorgaben strategische Leitlinien für die Kriegsführung vor, während der SACEUR die Verantwortung für die Durchführung der Operationen trägt.

Das Alliierte Kommando Operationen des SACEUR umfasst derzeit ein strategisches militärisches Hauptquartier, das Oberste Hauptquartier der Alliierten Mächte Europa (Supreme Headquarters Allied Powers Europe, SHAPE), drei operative Joint Force Commands in Brunssum, Neapel und Norfolk, die jeweils spezifische regionale Zuständigkeiten haben, sowie untergeordnete Luft-, Land- und Seekommandos und Kommandos zur Unterstützung und Befähigung. Außerhalb der NATO-Kommandostruktur, aber durchaus in ihrem Zuständigkeitsbereich, befindet sich die NATO-Streitkräftestruktur: verbündete nationale und multinationale Streitkräfte und Hauptquartiere (wie zum Beispiel das Hauptquartier des Deutsch-Niederländischen Korps in Münster), die dem Bündnis unter bestimmten Bereitschaftskriterien zur Verfügung stehen.

 

Entscheidungsfindung

Die Beschlüsse der NATO werden im Konsens gefasst. Sie manifestieren sich in erster Linie in Dokumenten, über die sich die Vertreter der Alliierten zunächst in den nachgeordneten Ausschüssen einigen und deren Empfehlungen dann dem Rat zur Beschlussfassung vorgelegt werden. Den Vorsitz in den Sitzungen führt in der Regel der Internationale Stab (bis zur Ebene des Generalsekretärs). NATO-Dokumente werden von den Bündnispartnern normalerweise im Rahmen eines „Verschweigens“ angenommen: Ein Dokument gilt als angenommen, wenn kein Alliierter das Schweigen bricht.

In der Praxis erstellen die politischen und militärischen Gremien der NATO tagtäglich eine Vielzahl unterschiedlicher Dokumente. Üblicherweise unterbreiten eines oder beide militärstrategischen Kommandos einen Vorschlag, auf dessen Grundlage sich die Bündnispartner im Militärausschuss auf einen militärischen Ratschlag und in einem der zivilen Ausschüsse auf einen anschließenden politisch-militärischen Ratschlag einigen. Der konsolidierte politisch-militärische Ratschlag wird dann dem Nordatlantikrat zur (zumindest in Teilen) Genehmigung vorgelegt. Für komplexere Entscheidungen haben die NATO-Staaten spezielle Verfahren eingerichtet und vereinbart, wie z. B. das NATO-Krisenreaktionssystem (das einen Prozess zur Planung militärischer Operationen umfasst) oder den NATO- Verteidigungsplanungsprozess (bei dem es um die Ermittlung, Entwicklung und Beschaffung der erforderlichen Fähigkeiten geht).

Übergeordnete NATO-Dokumente, insbesondere strategische Konzepte und Gipfelerklärungen, bringen die strategische Ausrichtung des Bündnisses zum Ausdruck. Die strategischen Konzepte des Bündnisses sitzen gleich unterhalb der Ebene des Washingtoner Vertrags, und die NATO hat im Laufe ihrer Geschichte insgesamt acht solcher Konzepte erstellt: 1949, 1952, 1957, 1968, 1991, 1999, 2010 und 2022. Strategische Konzepte dienen dazu, die zentralen Werte und Ziele des Bündnisses zu bekräftigen, eine kollektive Bewertung des Sicherheitsumfelds vorzunehmen und die politisch-militärische Entwicklung der NATO zu steuern (vgl. dazu auch den Beitrag von Sven Bernhard Gareis in dieser Ausgabe). Darüber hinaus hat die Zahl der Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der NATO erheblich zugenommen, wobei die begleitende Gipfelerklärung sowohl das allgemeine Sicherheitsumfeld als auch verschiedene Aspekte der Aktivitäten des Bündnisses behandelt.

 

 

 

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