Justiz und Verfassung in Ungarn

Der Judikative kommt neben Exekutive und Legislative in der Demokratie eine besondere Bedeutung zu. Daher sind Eingriffe in die Judikative auch besonders problematisch. In autoritären Staaten ist die Judikative nicht unabhängig vom Staat und der politischen Macht.

Es gibt durchaus Parallelen zwischen der Politik der ungarischen und der polnischen Regierung in Bezug auf Verfassung und Justiz. Allerdings ist die ungarische Regierung bereits seit 2010 im Amt. So sind die Änderungen in Ungarn weitreichender.

Das ungarische Verfassungsgericht, das im Wendejahr 1990 nach deutschem Vorbild eingerichtet wurde, hatte ursprünglich eine sehr starke Stellung. Gerade auch vor dem Hintergrund, dass das ungarische Parlament nur aus einer Kammer besteht. Mit der Bestimmung, dass nur die Regierungsfraktion und nicht mehr ein paritätisch besetzter Parlamentsausschuss die Verfassungsrichter vorschlagen kann, hatte Orbans Partei Fidesz angesichts ihrer Mehrheit im Parlament die Kontrolle über die Ernennung der Verfassungsrichter gewonnen. Zugleich ließ Orban die Zahl der Verfassungsrichter von elf auf fünfzehn erhöhen, wodurch gleich mehrere neue, Orbans Politik nahestehende, Richter ins Verfassungsgericht berufen wurden.

In den Jahren 2011 und 2012 kippten die Verfassungsrichter trotzdem mehrere von der Regierung Orban beschlossene Gesetze, zum Beispiel Teile der Wahlrechtsreform. Daraufhin ließ Viktor Orban die vom Verfassungsgericht verhinderten Gesetze mit Hilfe seiner Zzweid Drittelm Mehrheit im Parlament in den Verfassungsrang erheben. Dadurch können diese Gesetze nicht mehr vom Verfassungsgericht gestoppt werden. Als Reaktion auf dieses Vorgehen griff EU-Justizkommissarin Viviane Reding die Regierung Orban scharf an und drohte mit dem Entzug des Stimmrechts für Ungarn in der EU. Da es in der EU keine Einigung darüber gibt, wie mit Ungarn zu verfahren ist, blieb die Drohung Redings letztendlich ohne Folgen.

Nach dem Ende des Kommunismus galt in Ungarn noch die alte, kommunistische Verfassung aus dem Jahr 1949. Nur eine Verfassungsänderung aus dem Jahre 1989 definierte Ungarn als Rechtsstaat und parlamentarische Demokratie. Bereits 2011 kritisierte Orban, dass Ungarn ein neues Grundgesetz brauche, da die alte Verfassung sich zu stark am sowjetischen Vorbild orientiere. Noch im selben Jahr verabschiedete die Fidesz- Fraktion im Parlament ein neues Grundgesetz, das zum 1. Januar 1.2012 in Kraft trat.

Die neue Verfassung ist stark vom nationalen Gedanken geprägt. Ungarn soll auf Basis seiner ethnischen und historischen Zugehörigkeit geeint werden. Problematisch ist diese Definition in Bezug auf Minderheiten wie die Roma. Außerdem wird der christlichen Religion eine Vorrangstellung eingeräumt. Kritiker sehen darin eine Verletzung der religiös-grundanschaulichen Neutralität. Die freie Religionsausübung ist weiter garantiert. Allerdings wird die Gewährung des Kirchenstatus an „die Fähigkeit der Religionsgemeinschaft zur Zusammenarbeit mit dem Staat“ gebunden.

Die Verfassung schließt auch die im Ausland lebenden Ungarn ein und bezieht sich damit auf das historische Ungarn vor 1919. Die Auslandsungarn haben das Recht die ungarische Staatsbürgerschaft zu erwerben und das Wahlrecht zu erhalten. Kritiker sahen im Wahlrecht für die Auslandsungarn eine Bevorzugung dieser Gruppe, da sie, im Gegensatz zu den anderen Wählern, nicht einen ständigen Wohnsitz in Ungarn nachweisen müssen. An der Parlamentswahl 2014 nahmen knapp 130.000 Auslandsungarn teil, die zu 95 Prozent5 % für Orbans Partei Fidesz stimmten.


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