Lage der Opposition und Umgang mit Minderheiten in Ungarn

Die Situation der politischen Opposition sowie der Umgang mit Minderheiten sind wesentliche Merkmale für eine funktionsfähige Demokratie. Werden ihre politischen Rechte beschnitten, ist dies ein Hinweis für Defizite in der demokratischen Entwicklung eines Landes.

Der Wahlsieg der Fidesz unter Führung Viktor Orbans war zugleich mit einer schweren Krise der bis dahin stärksten Partei, der Sozialisten, verbunden. Aufgrund der Zweidrittelmehrheit der Fidesz war die parlamentarische Opposition in den Jahren 2010 bis 2014 sehr schwach. Orban nutzte diesen Umstand, um seine Macht zielstrebig auszubauen. Dabei ging er durchaus geschickt vor, indem er die Möglichkeiten der Opposition auf juristischem Wege beschränkte, ohne dabei aber die Oppositionsparteien direkt anzugreifen. Die Erhebung vieler von Orban erlassener Gesetze in den Verfassungsrang hat die Gestaltungsmöglichkeiten jeder zukünftigen Regierung stark beschränkt.

Bei den Wahlen 2014 konnte sich Fidesz nur durch die Koalition mit den Christdemokraten erneut eine Zweidrittelmehrheit im Parlament sichern. Den Sozialdemokraten war es trotz des Zusammenschlusses mit drei kleineren Oppositionsparteien nicht gelungen, mehr als ein Viertel der Stimmen zu gewinnen. Deutlich gewinnen konnte dagegen die rechtsradikale Partei „Jobbik“. Jobbik ist aber nur eingeschränkt eine Opposition gegen Orban, da sie in wichtigen Abstimmungen oftmals mit der Regierung stimmt.

Bei der Parlamentswahl 2018 erlangte die national-konservative Fidesz Partei in Koalition mit der KDNP 48,8 Prozent der Stimmen und damit 133 der 199 Sitze im Parlament. Der amtierende Ministerpräsident Victor Orbán konnte also seine dritte Amtszeit in Folge antreten. Der Opposition und kritischen Medien drohte Orbán im Wahlkampf: „Wir sind sanfte und freundliche Menschen, aber wir sind weder blind noch tölpelhaft. Nach der Wahl werden wir uns natürlich Genugtuung verschaffen – moralische, politische und auch juristische Genugtuung.“
In den vergangenen Jahren haben sich die Proteste gegen die Politik der Fidesz verstärkt. Dabei kommt der außerparlamentarischen Opposition eine besondere Rolle zu. So kam es zu verschiedenen Großdemonstrationen gegen die Regierung. Angesichts der Schwäche und Zerstrittenheit der Opposition sehen offenbar viele Bürger den Protest auf der Straße als das wirksamste Mittel, ihrer Unzufriedenheit Ausdruck zu verleihen. So gab es Proteste mit über zehntausend Teilnehmern gegen eine von der Regierung Orban geplante Internetsteuer. Allerdings konzentrieren sich die Proteste überwiegend auf die Hauptstadt Budapest und einige andere Städte, in denen es eine kritische links-liberale Szene gibt.

Auffallend wenig Proteste gab es gegen die restriktive Flüchtlingspolitik der Regierung Orban. In diesem Punkt scheint ein großer Teil der ungarischen Bevölkerung hinter der Regierung zu stehen oder eine neutrale Haltung einzunehmen. Vermutlich dürfte dabei auch das historisch belastete Verhältnis der Ungarn zum Islam (Eroberung Südungarns durch die Türken) eine Rolle spielen, die zur ablehnenden Haltung bei der Aufnahme muslimischer Flüchtlinge führt.

Minderheiten

Was den Umgang mit sexuellen Minderheiten anbelangt, schränkt die Orban-Regierung zunehmend Rechte ein und stempelt Homosexualität als Feindbild ab. Homo- und Transsexualität sollen per Gesetz aus der Öffentlichkeit verschwinden. Im Juni 2021 wurde ein neues Anti-LGBT-Gesetz erlassen. Es sieht vor, dass Homosexualität nicht mehr „propagiert“ wird. Das heißt, dass im Zweifel jede Art von Information über Homosexualität nur unter Volljährigen verbreitet werden darf. Betroffen ist Aufklärungsunterricht an Schulen, aber auch Filme und Bücher mit schwulen Charakteren und Werbung, wenn diese sich an Minderjährige richtet.

Die EU-Kommission prüft nun, ob das gegen EU-Recht verstößt. Kommissionschefin Ursula von der Leyen ist „sehr besorgt über das neue Gesetz in Ungarn“. Man prüfe, ob EU-Recht verletzt werde. „Ich glaube an ein Europa, das sich auf Diversität einlässt, nicht an eines, dass sie vor unseren Kindern verbirgt. Niemand sollte auf Grundlage der sex„uellen Orientierung diskriminiert werden.“

13 EU-Staaten forderten, den Verstoß gegen die EU-Grundrechtecharta zu ahnden und die Einhaltung europäischer Gesetze sicherzustellen. Die EU- Kommission müsse  als Hüterin der Verträge” alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel nutzen. Dazu gehöre auch, den Fall vor den Europäischen Gerichtshof zu bringen. Auf dem EU-Gipfel wurde Ungarn scharf kritisiert, die EU-Staatschefs konnten sich jedoch nicht auf ein  gemeinsames Vorgehen gegen  Ungarn einigen. Auch ein Rauswurf Ungarns aus der EU kam zur Sprache. Ein Land aus der EU zu werfen ist jedoch so nicht möglich, in den EU-Verträgen ist dies nicht vorgesehen.Ungarns Präsident Orban zeigte sich indes unbeeindruckt, er möchte das Gesetz nicht zurücknehmen,

Im Juli 2021 hat die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn wie auch Polen eingeleitet. Dies ist nicht das erste Verfahren gegen die beiden Länder. Europa werde niemals zulassen, dass Teile der Gesellschaft stigmatisiert würden, erklärte Kommissionschefin von der Leyen. Polen und Ungarn haben nun zwei Monate Zeit, zu reagieren. Andernfalls kann die Kommission das Verfahren bis vor den Europäischen Gerichtshof bringen.

Ungarn hat mit seinem neuen Anti-Homosexuellen-Gesetz die russische Rechtsprechung kopiert. Es ähnelt sehr genau der Rechtslage in Russland.

Kaum Konflikte gibt es mit nationalen Minderheiten, die in Ungarn nur etwa 6 Prozent der Bevölkerung stellen. Eine Ausnahme bilden die Roma, die im Fokus der nationalistischen Rhetorik von Fidesz und Jobbik Politikern stehen. Die Roma gelten in Ungarn als schwer integrierbare Minderheit und die Kürzung sozialer Leistungen durch die Orban Regierung richtet sich indirekt besonders gegen die Roma, die einen überdurchschnittlichen Anteil bei den Empfängern sozialer Hilfen stellen. So sprach ein ungarischer Minister von „nicht förderungswürdigen Familien“, womit implizit Roma gemeint waren. Die Arbeitslosigkeit  und der Anteil Geringqualifizierter unter den Roma ist weit höher als im Bevölkerungsdurchschnitt.

Obwohl es kaum Juden in Ungarn gibt, findet man in der ungarischen Gesellschaft nicht selten antisemitische Einstellungen. Diese werden vor allem von der Partei „Jobbik“ bedient. Im April 2010 wurde von der Regierung Orban ein Gesetz beschlossen, das die Leugnung des Holocaust unter Strafe stell



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